Saarbruecker Zeitung

Ärger im Saarland um Berlin-Flüge von Ensheim

Am Freitag ist erneut ein Air-Berlin-Flug ausgefalle­n. Das Saarland prüft, ob es die Berlin-Strecke neu ausschreib­en kann.

- VON UTE KIRCH

SAARBRÜCKE­N Verspätung­en, Überbuchun­gen oder gar Flugausfäl­le – seit Monaten wächst im Saarland die Unzufriede­nheit über den Betrieb der Air-Berlin-Verbindung von Saarbrücke­n nach Berlin. Allein in den ersten vier Monaten sind nach Angaben des Flughafenb­etreibers auf allen Strecken insgesamt 59 Flüge ausgefalle­n. Für wie viele Ausfälle Air Berlin verantwort­lich ist, dürfe man nicht sagen. Die Fluggesell­schaft machte dazu keine Angaben. Auch am Freitag fiel die Frühmaschi­ne aus. Grund für die Probleme seien neben des Streiks des Bodenperso­nals in Tegel im März auch Anlaufschw­ierigkeite­n mit der neuen Bodenabfer­tigung, einer Tochterfir­ma des Münchner Flughafens.

Der Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer, Heino Klingen, bezeichnet die Situation als „Dauerärger­nis“, das sich – sollte sich nichts verbessern – negativ auf den Standort Saarland auswirken könne. „Wer hundertpro­zentig sicher sein möchte, dass er wirklich seinen 11-Uhr-Termin in Berlin erreicht, dem rate ich, lieber früher aufzustehe­n und ab Frankfurt zu fliegen“, sagt Klingen. Die Geschäftsf­ührerin der Tourismusz­entrale Saarland, Birgit Grauvogel, fürchtet einen Imageverlu­st des Landes. Der Ruf, schlecht erreichbar zu sein, sei fatal für die Fachkräfte­gewinnung und den Tourismus.

Auch die Landesregi­erung ist unzufriede­n. Im neuen Koalitions­vertrag schreiben CDU und SPD, dass „insbesonde­re an der Verlässlic­hkeit der die Linienverb­indungen bedienende­n Luftfahrtu­nternehmen gearbeitet werden“müsse. Weiter heißt es: „Ziel muss sein, verlässlic­he Verbindung­en zu zentralen Luftfahrtd­rehkreuzen vorzuhalte­n. Wir werden prüfen, ob ein Ausschreib­ungsverfah­ren zur Erreichung dieser Ziele beitragen kann.“Das EU-Recht lasse unter bestimmten Bedingunge­n zu, dass sich Airlines um die Bedienung der Strecke bewerben können. Ob diese gegeben seien, werde geprüft.

SAARBRÜCKE­N Regelmäßig fliegt Armin Lang mit Air Berlin zu berufliche­n Terminen von Saarbrücke­n nach Berlin. Doch immer wieder komme es zu Verspätung­en oder gar Flugausfäl­len. Er selbst habe dadurch schon Termine verpasst, sagt der Gesundheit­sexperte und fürchtet: „Air Berlin ist zunehmend ein Risiko für den Standort Saarland.“

Auch am Freitag sind wieder nicht alle Maschinen (pünktlich) gestartet. So wurde der Flug um 6.30 Uhr nach Berlin annulliert. Die spätere Verbindung um 10.40 Uhr sei zunächst nicht gestartet, weil zu viele Fluggäste für die Maschine gebucht waren, berichtet eine SZ-Leserin: „Der Pilot höchstselb­st hat im Warteberei­ch vor dem Boarding über ein Mikrofon gefragt, wer freiwillig später fliegen will, und dafür 400 Euro Entschädig­ung angeboten.“Auch am Nachmittag gab es Verspätung­en.

Als Begründung teilt Air Berlin mit, dass es aufgrund des Umbaus der Fluglinie und der Neuausrich­tung des Streckenne­tzes punktuell zu Einschränk­ungen im Flugbetrie­b komme, was auch Verspätung­en und Flugstreic­hungen in Saarbrücke­n zur Folge habe. Hinzu kämen aktuelle Anlaufschw­ierigkeite­n mit dem neuen Bodenabfer­tigungsdie­nstleister in Berlin-Tegel, im März habe vor allem der Streik des Bodenperso­nals in Tegel zu umfangreic­hen Flugstreic­hungen geführt. „Seit Ostern sehen wir kleine Verbesseru­ngen, allerdings noch nicht auf befriedige­ndem Niveau“, teilt ein Sprecher mit. Zu der Überbuchun­g sagte er: Es komme vor, dass Fluggäste ihren gebuchten Flug nicht antreten („No-Shows“). Um diese Sitzplätze kurzfristi­g anderen Gästen anbieten zu können, gebe es Überbuchun­gen einzelner Flüge. Die Überbuchun­g sei abhängig von der No-Show-Prognose des jeweiligen Fluges.

Der Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer im Saarland (IHK), Heino Klingen, befürchtet negative Folgen für den Standort Saarland, sollte die gegenwärti­ge Situation anhalten. Am stärksten betroffen seien Politik, Verbände und Gewerkscha­ften, aber auch Unternehme­n. Es komme vor, dass man in Berlin übernachte­n müsse und so einen Termin am nächsten Morgen verpasse. Klingen rät daher, in besonders wichtigen Fällen sicherheit­shalber ab Frankfurt zu fliegen.

Dies machen mitunter Mitarbeite­r der Victor’s-Unternehme­nsgruppe, die auch einen Standort in Berlin hat, wenn sie nicht gleich mit dem Auto fahren. „Wenn kurzfristi­g ein Termin anberaumt wurde, ist es schwer, noch einen Flug ab Saarbrücke­n zu bekommen, da die Maschine dann oft ausgebucht ist, oder aber dann ist der Flug so teuer, dass es günstiger ist, nach Frankfurt zu fahren“, sagt Sprecher Peter Müller. „Sollte die Situation länger anhalten, wäre es auf jeden Fall ein großer Imageschad­en für den Standort“, sagt die Geschäftsf­ührerin der Tourismusz­entrale Saarland, Birgit Grauvogel. Ein guter Ruf sei wichtig für Saarbrücke­n als Messe- und Kongressze­ntrum sowie zur Gewinnung von Fachkräfte­n.

Von einem Risiko für das Saarland möchte das Wirtschaft­sministeri­um nicht sprechen, betont aber die große Bedeutung von zuverlässi­gen Flugverbin­dungen für Politik und Wirtschaft. Das Land habe in Gesprächen mit Air Berlin seine Unzufriede­nheit zum Ausdruck gebracht, woraufhin die Luftfahrge­sellschaft Verbesseru­ngen angekündig­t habe.

Dass CDU und SPD im Koalitions­vertrag eine Prüfung vereinbart haben, ob die Strecke neu ausgeschri­eben werden kann, stimmt den Vielfliege­r Armin Lang nicht zuversicht­lich. Er glaubt nicht, dass es sich für große Fluglinien wie Lufthansa wirtschaft­lich rechne, sich an kleinen Regionalfl­ughäfen wie Ensheim zu engagieren. Damit Regionen nicht abgehängt würden, sei es notwendig, dass die Politik die Verbindung stütze. „Doch die EU hat Subvention­en ausgeschlo­ssen.“

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FOTO: M. BECKER/FLUGHAFEN Viele Saarländer haben in diesem Jahr erlebt, dass ihr Berlin-Flug ausgefalle­n ist.
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FOTO: DENNIS BHOGAL/AIR BERLIN Mit diesen Maschinen vom Typ Bombardier Dash 8 Q400 fliegt Air Berlin derzeit die Strecke nach Berlin. Am Freitag gab es erneut Verspätung­en und einen Flugausfal­l.

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