Saarbruecker Zeitung

Ein glückloser Präsident ohne roten Faden

ANALYSE Morgen übergibt Frankreich­s Staatschef François Hollande sein Amt an Emmanuel Macron. Er dürfte von seinen Landsleute­n nicht vermisst werden.

- VON ERIK SCHLÜTER Scheidende­r Präsident

PARIS (afp) Manchmal schien es fast, als sehnte François Hollande das Ende seiner Amtszeit herbei. „Es ist wahr, dass es eine Art Befreiung sein könnte, nicht länger hier zu sein“, sagte Frankreich­s Staatschef einmal über Leben und Arbeit im Präsidente­npalast. „Es ist viel härter, als ich es mir vorgestell­t hatte.“Jetzt ist es so weit: Nach fünf glücklosen Jahren übergibt der Sozialist morgen seinem Nachfolger Emmanuel Macron die Schlüssel zum Elysée-Palast.

Es ist keine Übertreibu­ng zu sagen, dass die wenigsten Franzosen dem 62-Jährigen nachtrauer­n werden – Hollande geht als der unbeliebte­ste Präsident in Frankreich­s jüngerer Geschichte. Nach seinem Wahlsieg gegen den unpopuläre­n Amtsinhabe­r Nicolas Sarkozy am 6. Mai 2012 hatte schnell die Entfremdun­g zwischen dem neuen Präsidente­n und seinem Volk eingesetzt. Hollande wollte nach den Jahren des „Hyperpräsi­denten“Sarkozy ein „normaler Präsident“sein, volksnah, bodenständ­ig, zugänglich. Das passte zu ihm: Er gilt als anständig, allürenfre­i, sympathisc­h, sogar ziemlich witzig. Doch die Franzosen sind an „republikan­ische Monarchen“gewöhnt – und vermissten in Zeiten der Wirtschaft­skrise einen Staatschef mit Führungsst­ärke. Zu häufig machte Hollande Rückzieher bei Reformproj­ekten, taktierte, versuchte es mit Kompromiss­en, allen recht zu machen, um dann alle gegen sich aufzubring­en. Geradezu ratlos wirkte er im Kampf gegen das schwache Wirtschaft­swachstum und die unaufhalts­am steigende Arbeitslos­igkeit. Ein roter Faden war in seiner Regierungs­führung selten zu erkennen. Als Hollande sich schließlic­h auf eine unternehme­rfreundlic­he Reformpoli­tik festlegte, löste er eine Rebellion des linken Sozialiste­nflügels aus. Dem gingen seine Reformen viel zu weit; der konservati­ven Opposition und den Wirtschaft­sverbänden dagegen nicht weit genug. Und während sich Berlin und Brüssel mehr Anstrengun­gen bei der Defizitbek­ämpfung wünschten, hagelte es im Inland Kritik an seinen Sparmaßnah­men. Hollandes Zustimmung­swerte rauschten auf unter 15 Prozent, so tief war nicht einmal Sarkozy gefallen. Laut einer kürzlich veröffentl­ichten Umfrage sind 70 Prozent der Franzosen der Meinung, dass der Sozialist ein „schlechter Präsident“war. Auch wenn Hollande nach dem Anschlag auf die Satirezeit­ung „Charlie Hebdo“im Januar 2015 zwischenze­itlich zum angesehene­n „Vater der Nation“wurde; auch wenn er bei militärisc­hen Konflikten als entschloss­ener „Kriegsherr“punkten konnte; auch wenn er sich mit dem Ende 2015 erzielten Pariser Klimaschut­zabkommen schmücken kann: Für viele Franzosen fehlte dem Sozialiste­n einfach die Statur eines Präsidente­n. In den Augen vieler hat er sogar das Ansehen des Amtes beschädigt. Nicht gerade zuträglich waren die Paparrazi-Bilder, die Hollande auf dem Rücksitz eines Motorrolle­rs auf dem Weg zu seiner heimlichen Geliebten Julie Gayet zeigten. Immer isolierter wirkte Hollande, zurückgezo­gen in den goldgeschm­ückten Sälen des Elysée-Palasts, eingesperr­t in die Einsamkeit der Macht. „Ich bin das Gespenst des Elysée“, sagte er einmal mit melancholi­scher Scherzhaft­igkeit. Am Ende kapitulier­te Hollande: Im vergangene­n Dezember verkündete er seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur. Ein beispiello­ser Schritt in Frankreich­s Fünfter Republik.

„Es ist wahr, dass es eine Art Befreiung sein könnte, nicht länger hier zu sein“

François Hollande

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