Saarbruecker Zeitung

Ein getrübter Blick nach vorn

Die SPD geht nach NRW schwer angeschlag­en in den Bundestags­wahlkampf.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN Martin Schulz hat jetzt richtig Übung darin, „krachende Niederlage­n“einzugeste­hen. Das ist seine Wortwahl am gestrigen Sonntag. Erstmal Gratulatio­n an den Wahlsieger, im Falle Armin Laschets sogar „von Herzen“. Letzte Woche nach SchleswigH­olstein hieß das noch „Respekt für die Aufholjagd“. Dann sehr, sehr warmer Dank an den Verlierer, diesmal Hannelore Kraft, die „in der Niederlage eine Größe an den Tag gelegt hat, vor der ich mich verneige“. Dann der Blick nach vorn. Der Mann kann Wehmut. Aber die Mienen der Mitglieder der Parteiführ­ung hinter ihm sind ernster als vor einer Woche. Es gibt im Berliner Willy-BrandtHaus nur einmal einen Beifall, der wirklich spontan und herzlich ist. Das ist, als Kraft im fernen Düsseldorf ihre Erklärung abgeschlos­sen hat. Es ist ein Beifall des Abschieds und des Dankes. Einige rufen „Nein, nein, nicht das auch noch“, als Kraft ihren Rücktritt verkündet. Beim Blick nach vorn lassen mehrere Aussagen aufhorchen. So sagt Generalsek­retärin Katarina Barley, dass jetzt „der Wahlkampf Angela Merkel gegen Martin Schulz“beginne. Die SPD will die Kanzlerin endlich „stellen“, wie es intern heißt.

Zum Beispiel damit, ob 25 Milliarden Euro in die Aufrüstung fließen sollen oder in Familie und Bildung. „Jetzt geht es in die entscheide­nde Runde“, sagt auch Schulz. Was aber, wenn die Kanzlerin sich nicht stellen lässt? Darüber will man heute früh im Präsidium beraten, ebenso über die Frage, „was wir hier in Berlin ändern müssen“, wie der Kanzlerkan­didat sagt. Es gibt inzwischen Vorwürfe gegen Schulz, vor allem, dass er sich zu rar gemacht habe.

„Zu wenig Präsenz und Inhalte“, wie es Karsten Mau formuliert, ein Berliner Genosse, der sich eigentlich auf eine Wahlparty gefreut hatte und nun eine Trauervera­nstaltung erlebt. Doch Kraft erklärt öffentlich, dass sie selbst Schulz gebeten habe, sich in dieser Phase zurückzuha­lten. Sie wollte einen landespoli­tischen Wahlkampf in NRW – und hat ihn bekommen.

Verändert wird erst einmal die bisherige Planung. Ursprüngli­ch wollte die SPD heute mit einem Sieg im Rücken Teile des Wahlprogra­mmentwurfs beraten und gleich der Öffentlich­keit präsentier­en. Man wollte sozusagen Schlag auf Schlag weitermach­en, atemlos im Erfolg. Das ging vergangene­n Montag schon nicht auf. Es ist eher ein „Atemlos durch die Nacht“geworden.

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FOTO: VON ?? Die Wahlparty wird zur Trauerfeie­r: Geht SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz jetzt die Puste aus?
JUTRCZENKA/DPA FOTO: VON Die Wahlparty wird zur Trauerfeie­r: Geht SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz jetzt die Puste aus?

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