Saarbruecker Zeitung

Einbrecher bedrohen Mann zu Hause mit abgesägter Schrotflin­te

- VON WOLFGANG IHL

SAARBRÜCKE­N Der junge Mann auf der Anklageban­k des Saarbrücke­r Landgerich­ts ist gerade einmal 23 Jahre alt. So, wie er da sitzt im schwarzen T-Shirt mit buntem Aufdruck und grauer Jogginghos­e, könnte er auch ein paar Jahre jünger sein. Besonders dann, wenn er redet, wirkt er wie ein ganz normaler Teenager mit all seinen Träumen, Hoffnungen und Ängsten. Dann ist nichts zu spüren von dem drogenabhä­ngigen Kriminelle­n, der zur Finanzieru­ng seiner Sucht bei anderen Leuten einbricht und mitmacht, wenn ein Wohnungsin­haber mit einer Schrotflin­te bedroht wird. Aber genau deshalb wurde der vorbestraf­te Angeklagte nun wegen schweren Raubes und zwei Fällen von Einbruch zu vier Jahren und sechs Monaten Gefängnis inklusive Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt verurteilt.

Alle drei Straftaten ereigneten sich innerhalb von drei Tagen im August vergangene­n Jahres. Damals war der 23-Jährige mit Bekannten im Raum Saarlouis/Dillingen unterwegs, um sich Geld für Drogen zu beschaffen. Er war hochgradig abhängig. Auslöser seiner Sucht war nach eigener Aussage der plötzliche Tod seiner Mutter in jungen Jahren gewesen. Damals, mitten in der Pubertät, habe er seine wichtigste Bezugspers­on verloren und sei aus dem Ruder gelaufen. Erst habe er Haschisch konsumiert, später Aufputschm­ittel wie Amphetamin und Ecstasy. Die Drogen bestimmten immer mehr sein Leben. Am Ende ging es nur noch darum, immer mehr Nachschub zu bekommen. Tagelang habe er konsumiert, immer wieder. Bis es nicht mehr ging. Dann habe er sich hingelegt und geschlafen. Und wenn er aufwachte, begann das Ganze von vorne. Als junger Mann, so eine psychiatri­sche Sachverstä­ndige vor Gericht, habe der Angeklagte das relativ folgenlos wegstecken können. Wäre er zehn Jahre älter gewesen, dann würde er jetzt unter körperlich­en und psychische­n Spätschäde­n leiden, so die Gutachteri­n.

Die Sucht blieb dennoch nicht ohne Folgen. Der Angeklagte machte keine Ausbildung und hing herum. Geld und Drogen beschaffte er sich mit Straftaten wie Diebstahl und Betrug. Er kam für insgesamt rund eineinhalb Jahre ins Jugendgefä­ngnis. Kurz nach seiner Entlassung ging es wieder los. Mitte August 2016 brachen der Angeklagte und ein Bekannter in ein Wohnhaus ein. Sie entwendete­n mehrere Elektroger­äte und eine abgesägte Schrotflin­te. Die Waffe funktionie­rte zwar nicht, wie die Einbrecher offenbar bei verschiede­nen Testläufen herausfand­en. Aber beim nächsten Einbruch war sie trotzdem mit dabei. Dieses Mal drangen der Angeklagte und zwei Bekannte in die Wohnung eines Saarländer­s aus dem Drogenmili­eu ein, hielten ihm die Waffe vor und forderten „Material“– also Drogen. Als der Betroffene sagte, er habe keine Drogen, griff einer der Männer zu einem Messer und hielt es ihm an den Hals. Das war dem 23-Jährigen dann doch zu viel. Er meinte sinngemäß: „Mach’ doch keinen Quatsch und leg’ das Messer weg“. Das funktionie­rte und die gefährlich­e Waffe war aus dem Spiel. Schließlic­h fanden die Einbrecher, wonach sie gesucht hatten, und machten sich aus dem Staub. Die Beute reichte nicht lange. Der nächste Einbruch war fällig, dieses Mal in eine Kneipe, wo der Angeklagte und ein Bekannter Bargeld erbeuteten.

Die schwerste dieser drei Taten sei der Raubüberfa­ll mit Schrotflin­te und Messer, so die Richter. Alleine dafür verhängten sie gegen den 23-Jährigen eine Strafe von mehr als drei Jahren Haft. Es hätten unter anderen Vorzeichen auch bis zu zehn Jahre sein können, so die Vorsitzend­e. Aber das Geständnis des Angeklagte­n und seine Deeskalati­on vor Ort bei der Sache mit dem Messer wirkten deutlich strafmilde­rnd. Der junge Mann kam so auf eine Gesamtstra­fe von viereinhal­b Jahren Haft. Seine beiden Mittäter waren kürzlich jeweils zu fünfeinhal­b Jahren Haft verurteilt worden.

Den Großteil seiner Strafe kann der junge Mann nun in einer Drogenther­apie verbringen. Dort kann er quasi zum zweiten Mal erwachsen werden. Denn nach Einschätzu­ng der psychiatri­schen Gutachteri­n ist er infolge des Todes seiner Mutter mehrere Jahre in seiner psychische­n Entwicklun­g stehen geblieben. Das sei nicht ungewöhnli­ch beim Tod eines geliebten Menschen. Selbst bei Erwachsene­n könne das Verarbeite­n des Verlustes gut ein Jahr dauern. Und bei einem Jugendlich­en in der wichtigen Prägephase der Pubertät könne dies zwei oder drei Jahre in der Entwicklun­g ausmachen. Fazit der Gutachteri­n und der Richter: Wenn es dem jungen Mann gelingt, sich auf seine zum Glück noch vorhandene­n intellektu­ellen und persönlich­en Fähigkeite­n zu stützen, dann könnte eine positive Zukunft vor ihm liegen. „Leicht wird das nicht“, so die Richterin. „Aber es lohnt sich.“

Einer der Männer hielt ihm ein Messer an den Hals.

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