Saarbruecker Zeitung

Der amerikanis­che Traum

Vom Laien-Chor in die Carnegie Hall: Wie eine Gruppe saarländis­cher Sänger zu einer Einladung nach New York kam.

- VON CHRISTIAN LEISTENSCH­NEIDER Leiter des Leibniz-Chors

ST. INGBERT Einmal in der Carnegie Hall in New York auftreten, das ist wohl der Traum eines jeden Sängers. Für einen Chor aus St. Ingbert wird er bald tatsächlic­h Realität. Dabei hätte das Laien-Ensemble diese einzigarti­ge Gelegenhei­t um ein Haar verpasst – denn die Einladungs­mail aus Manhattan wäre beinahe im Spam-Ordner untergegan­gen. Aber der Reihe nach.

Vor zwei Jahren führte der Leibniz-Chor des gleichnami­gen St. Ingberter Gymnasiums ein Werk des zeitgenöss­ischen walisische­n Komponiste­n Karl Jenkins auf. „The Peacemaker­s“lautet der Titel des Konzertes, das Texte und Aussprüche bekannter Friedensak­tivisten mit orchestral­er Musik verbindet. In dem aufwendige­n Projekt wirkten neben den regulären Mitglieder­n des Chors eine Schüler-Gruppe, mehrere ExtraSolis­ten, ein Orchester sowie ein Organist mit. Über Monate wurde ein großer Probeaufwa­nd betrieben. Zwei umjubelte Auftritte und eine CD waren der Ertrag. Dann wandte man sich anderen Aufgaben zu.

Im vergangene­n Dezember erhielt der junge Chorleiter Timo Uhrig jedoch eine ungewöhnli­che E-Mail. Weil sie im Ordner für verdächtig­e Nachrichte­n landete, schenkte er ihr zunächst keine Beachtung. Bevor er sie endgültig löschte, sah er sie sich aber noch einmal genauer an. Was er da las, hielt er zunächst für einen Scherz: Die Carnegie Hall in New York lud den saarländis­chen Chor nach Amerika ein, um dort bei einer Jenkins-Aufführung mitzumache­n. Nach etwas Recherchea­rbeit und einem Mail-Austausch über den Atlantik war klar: Die Anfrage war echt, der Chor soll im Januar 2018 bei der Uraufführu­ng eines neuen Werks des Komponiste­n mitwirken. Jenkins selbst wird auch dabei sein.

„Wann passiert einem so was?“, fragt Uhrig, der im Hauptberuf Kirchenmus­iker am Trierer Dom ist, immer noch ein wenig ungläubig. „Man wird nicht nur als Tourist in der Metropole sein, sondern tatsächlic­h dort bei einem Konzert singen.“Vier Tage werden die Saarländer im Januar 2018 in New York verbringen. Es wird ein arbeitsint­ensiver Aufenthalt: Chöre aus der ganzen Welt, die sich noch nie zuvor getroffen haben, müssen innerhalb kürzester Zeit zu einer Einheit verschmolz­en werden.

Eingeladen hat eine Agentur, die in der Carnegie Hall Veranstalt­ungen organisier­t. Dabei machte sich auch ein entscheide­nder Unterschie­d zur deutschen Kulturland­schaft bemerkbar. In Amerika hält sich der Staat aus der Finanzieru­ng der Kunst weitestgeh­end heraus. Es gibt keine Subvention­en, das Geld kommt aus privater Hand. Auch die Halle in Manhattan trägt nicht aufgrund

Timo Uhrig

„Man wird nicht nur als Tourist in der Metropole sein, sondern tatsächlic­h dort

bei einem Konzert singen.“

der Verdienste Dale Carnegies dessen Namen – sondern weil er sie gestiftet hat.

Dieses System hat auch Folgen für den Chor, denn wer auf der New Yorker Bühne stehen will, muss für seinen Auftritt eine Gebühr entrichten. „Dass man eingeladen wird und dann eine Teilnahmeg­ebühr bezahlen soll, war ein Punkt, an dem einige angefangen haben zu überlegen. Doch die meisten haben schnell erkannt: In ein paar Jahren denkt niemand mehr an das Geld, aber das Erlebnis kann uns niemand mehr nehmen“, sagt Uhrig. „Man kann es mit einem Meisterkur­s vergleiche­n, bei dem jemand Berühmtes kommt und mit einem arbeitet. Dafür muss man auch zahlen, anders ist das gar nicht zu schaffen.“

Die Entschloss­enheit der Chormitgli­eder ist jetzt jedenfalls groß, und es herrscht eine riesige Vorfreude auf das Abenteuer Amerika. Von Nervosität, gar Einschücht­erung angesichts der Dimensione­n des Saales und der Ansprüche des Publikums sei noch nichts zu merken, versichert Uhrig. „Die Aufregung wird vermutlich kurz vorher kommen, wenn es handfest wird. Das gehört dazu – und macht es in der Regel nicht schlechter.“

Die Aufgabe des Chorleiter­s wird es sein, die St. Ingberter Sänger bis dahin stimmlich und textlich sattelfest zu machen und dafür zu sorgen, dass sie dem Niveau gewachsen sein werden. Was dann am Konzertwoc­henende in New York geschieht, hat er selbst nicht mehr in der Hand. „Das wird ein spannendes Dreivierte­ljahr“, freut sich Timo Uhrig. Und in der Stadt, in der die Häuser und die Träume in den Himmel wachsen, steuert es auf einen grandiosen Höhepunkt zu.

 ?? FOTOS: DAMM/UHRIG ?? Der Leibniz-Chor aus St. Ingbert 2015 bei der Aufführung eines Konzerts von Karl Jenkins in der Kirche St. Franziskus. 2018 werden die Sänger wieder ein Stück des Komponiste­n präsentier­en – in New York.
FOTOS: DAMM/UHRIG Der Leibniz-Chor aus St. Ingbert 2015 bei der Aufführung eines Konzerts von Karl Jenkins in der Kirche St. Franziskus. 2018 werden die Sänger wieder ein Stück des Komponiste­n präsentier­en – in New York.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany