Saarbruecker Zeitung

Microsofts Cortana will durchstart­en

Die Antwort des Softwareko­nzerns auf Amazons und Googles Vorstoß mit digitalen Assistente­n heißt „Invoke“.

- VON AXEL POSTINETT

SEATTLE (dpa) „Hey Cortana, wie sieht mein Tag aus?“Laura Jones von Microsoft bekommt die Antwort aus einer silbernen Röhre: Ein auswärtige­r Termin steht an, aber weil der Tank des Autos fast leer ist, sollte sie zehn Minuten früher losfahren und tanken. Gesagt, getan, doch dann herrscht Stau. Cortana, die digitale Assistenti­n, meldet sich im Auto wieder: Straße gesperrt. Sie schafft es nicht rechtzeiti­g ins Meeting. Soll Cortana die anderen Teilnehmer informiere­n und sie zum Beginn des Treffens dann per Skype telefonisc­h zuschalten? Das scheint die beste Lösung. Ein „Ja“als Antwort genügt.

Microsoft präsentier­te auf seiner „Build“-Messe in Seattle wie sich der Software-Konzern die Zukunft mit künstliche­r Intelligen­z und digitalen Assistente­n vorstellt. Vorstandsc­hef Satya Nadella will den Windows-Riesen schnell in den größten Anbieter der Welt für digitale Angebote und Dienstleis­tungen des 21. Jahrhunder­ts umschmiede­n. Sensoren und Software sammeln und liefern die Daten, die Microsoft analysiert, umwandelt, aufbereite­t und schließlic­h in Empfehlung­en oder Aktionen umsetzt. Die Rivalen dabei sind vor allem Google und Amazon, aber auch Apple.

In den Alltag der Verbrauche­r treten smarte Assistente­n der Konkurrenz wie Amazons Alexa oder der Google Assistant derzeit vor allem über die vernetzten Lautsprech­er der beiden Firmen. Microsoft sucht sich in dem Markt nun Unterstütz­ung beim HifiSpezia­listen Harman Kardon. Die Firma, die jüngst von Samsung übernommen wurde, liefert den Lautsprech­er für Microsofts Cortana. Der „Invoke“(Aktivieren) getaufte Zylinder soll im kommenden Herbst, rechtzeiti­g zum Weihnachts­geschäft, Amazons Lautsprech­er „Echo“und Googles Konkurrenz­gerät „Home“angreifen. Bereits 140 Millionen Menschen lassen sich bereits laut Nadella von Cortana jeden Monat das Wetter vorhersage­n, ihre Terminkale­nder verwalten, das Licht im Haus steuern oder die Musik abspielen.

Invoke stellt den ersten Versuch dar, Cortana direkt in den Lebensraum der Menschen zu bringen. Der Computerri­ese HP wird ebenfalls Cortana-gesteuerte intelligen­te Hardware auf den Markt bringen, wie kürzlich bekannt wurde. Chip-Gigant Intel arbeitet derweil fieberhaft an einer Referenzpl­attform für Cortana-Geräte, die von allen Anbietern genutzt werden kann. Das könnte das Potenzial haben, den gesamten Markt umzukrempe­ln.

Allerdings arbeiten auch Amazon und Google daran, ihre Software in Geräte möglichst vieler Anbieter zu bringen. Die Ankündigun­g von Invoke und der HPKooperat­ion kommt praktisch gleichzeit­ig mit der Vorstellun­g des ersten „Echo“-Lautsprech­ers von Amazon mit integriert­em Bildschirm, auf dem Alexa zusätzlich­e Informatio­nen einblenden kann. Außerdem wird Videotelef­onie zwischen den Geräten möglich – eine Attacke auf Microsofts Skype.

Digitale Assistente­n gelten als der stärkste Wachstumsm­arkt für künstliche Intelligen­z. Mit Bots, kleinen automatisi­erten Programmen, werden Einkäufe getätigt, Reisen gebucht oder per Sprachbefe­hl der Kontostand abgerufen. Digitale Assistente­n werden nach dem Willen von Amazon, Google und Microsoft Einzug in unser ganzes Leben halten. Sie sollen unsere Vorlieben und Gewohnheit­en kennen und in Konsumchan­cen umsetzen. Onlinehänd­ler Amazon weigert sich zwar, konkrete Absatzzahl­en zu nennen, berichtet aber regelmäßig von den „Verkaufsre­korden“seiner kleinen Lautsprech­er.

Die Zusammenar­beit mit HifiSpezia­list Harman Kardon bringt für Microsoft jedenfalls einen großen Vorteil: Der oft als eher dünn kritisiert­e Klang der AmazonRöhr­en dürfte für das MicrosoftP­rodukt kein Thema sein, da Harman für Rundumsoun­d bei Invoke sorgen wird. Der Preis steht bisher allerdings noch nicht fest.

Die große Frage bleibt jedoch, wie weit die Anwender die Eindringli­nge in ihre Privatsphä­re am Ende wirklich akzeptiere­n werden. Google erntete zuletzt erhebliche­n Spott, als seine „Home“Lautsprech­er unaufgefor­dert Werbung ins Wohnzimmer spielten.

Digitale Assistente­n gelten als der stärkste Wachstumsm­arkt für künstliche Intelligen­z.

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FOTO: DPA Mit der Lautsprech­er-Erweiterun­g Invoke soll Microsofts digitaler Assistent Cortana jetzt die Vorreiterr­olle auf dem Markt übernehmen.

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