Saarbruecker Zeitung

Deutsche Tränen in Kiew

Levina legt beim ESC einen guten Auftritt hin, erhält aber nur wenig Punkte. Portugal siegt erstmals.

- VON CLAUDIA THALER UND ANDREAS STEIN

KIEW (dpa) Und zwölf Punkte gehen… nicht an Deutschlan­d. Wie in den vergangene­n beiden Jahren gibt es beim Eurovision Song Contest (ESC) aus deutscher Sicht ein enttäusche­ndes Ergebnis. Gerade einmal sechs Punkte erhält Levina für ihr Lied „Perfect Life“und wurde Vorletzter der 26 Starter. Woran es gelegen hat? „Ich weiß es leider nicht“, sagt Levina. Sie ist mit ihrem Auftritt selbst sehr zufrieden. Nun dürfte die altbekannt­e Diskussion wieder aufflammen: Was macht Deutschlan­d bloß falsch? Warum mag keiner da draußen unsere Musik? Moderatori­n Barbara Schöneberg­er bringt es trotzig auf den Punkt: „Ich weiß auch nicht, was wir noch machen sollen. Costa Cordalis schicken?“

Anders als Ann Sophie 2015 in Wien und Jamie-Lee 2016 in Stockholm bleibt immerhin der allerletzt­e Platz erspart, Levina schrammt mit sechs Punkten nur knapp daran vorbei. Drei JuryPunkte gibt es aus Irland, von den Zuschauern noch einmal so viele. Nur eine fade SurferNumm­er aus Spanien schneidet noch schlechter ab. Manch einer will am Ende scherzhaft ein

Ringen um den letzten

Platz heraufbesc­hwören. TV-Komiker Oliver Kalkofe twittert in der Nacht zum Sonntag: „Mist! Um 1 Punkt gegen Spanien das Ziel verfehlt!“Für Levina ist der Platz nur ein kleiner Trost, ihr kommen während der Abstimmung die Tränen. Erst nach dem Irland-Voting hat sie das NullPunkte-Tal verlassen; der Druck fällt. Dann lächelt sie wieder. „Wir sind nicht Letzter geworden, sondern Vorletzter“, betont sie.

Der portugiesi­sche Sieger Salvador Sobral zeigt nicht die großen Emotionen. Eher ungläubig blickt der Portugiese in die Kamera. Dass er gerade einen der wichtigste­n Musik-Wettbewerb­e Europas gewonnen hat, ist ihm nicht wirklich anzusehen. Ruhig und gelassen geht der introverti­erte Sieger des ESC in Kiew auf die Bühne. „Musik ist kein Feuerwerk. Musik ist Gefühl“, sagt der 27-Jährige, als er die Trophäe, ein gläsernes Mikrofon, überreicht bekommt. Musik sei keine austauschb­are Ware. Wie so vieles, das an diesem Abend gezeigt wurde.

Mit großem Abstand lässt Sobral mit dem melancholi­schen, in seiner Mutterspra­che gesungenen jazzigen Liebeslied „Amar Pelos Dois“die kunterbunt­e ESC-Konkurrenz hinter sich. 758 Punkte gelingt es ihm zu holen. Es ist der erste Sieg in der 53-jährigen ESC-Historie des Landes. Noch nie hat es Portugal unter die Top Five geschafft.

Ähnlich wie Portugal bringt auch Deutschlan­d einen kühlen, reduzierte­n Auftritt auf die Bühne. Dennoch geht sie unter. Der britische „Guardian“nennt das Lied „süß, aber leicht zu vergessen.“

Der Auftritt war fehlerfrei, jeder Schritt, jeder Ton schien zu sitzen. Ein Moderator nannte die 26-Jährige die „perfekte Deutsche“. ARD-Kommentato­r Peter Urban betonte immer wieder: „Wir haben nichts falsch gemacht.“Trotzdem bleibt nur Rang 25.

In Kiew selbst läuft fast alles nach ESC-Routine, wenige Sekunden zieht ein Flitzer blank. Er stürmt während einer Pauseneinl­age die Bühne. Der große ESCSkandal ist bereits Wochen vor der Glitzerver­anstaltung ausgetrage­n worden – Russland ist nach einem diplomatis­chen Streit ausgestieg­en. Das Extravagan­te fehlt in Kiew im Finale vollkommen. Nur ein Drama in weißen, brautähnli­chen Kleidchen, lange Frauenbein­e und strenge Choreograp­hien sorgen für Aufsehen.

In dieser glatten Bonbonwelt sticht der Portugiese Sobral eindeutig hervor. Er lebt seine Lieder selbst bis in die Fingerspit­zen. „Ich habe nie ein Lied geschriebe­n, um im Radio gespielt zu werden“, sagt Sobral nach seinem Sieg. Er selbst sieht den Rummel gelassen: „Nächsten Monat erinnert sich keiner mehr daran.“

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FOTOS: DPA Levina kann ihre Enttäuschu­ng nicht verbergen. Die deutsche Teilnehmer­in vergoss nach dem vorletzten Platz und gerade einmal sechs Punkten auch einige Tränen.
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