Im Saarland fehlen 2600 Krippen-Plätze
Trotz des seit 2013 geltenden Rechtsanspruchs fehlt es im Saarland und im Bund einer Studie zufolge an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren.
BERLIN/SAARBRÜCKEN (afp/dpa/ SZ) Deutschland kommt beim Ausbau der Betreuungsplätze für Kleinkinder nicht nach: Trotz verstärkter Anstrengungen der Politik ist die Betreuungslücke bei unter Dreijährigen zwischen 2015 und 2016 noch einmal deutlich angestiegen. Das zeigen Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Demnach fehlten bundesweit zuletzt insgesamt fast 300 000 Krippenplätze – etwa 262 000 in Westdeutschland (Betreuungslücke 14,8 Prozent) und mehr als 31 000 (7,3) im Osten.
Im Saarland ist die Lage noch vergleichsweise gut. Zwar fehlen den Berechnungen zufolge auch hierzulande 2640 Plätze. Die Betreuungslücke von 11,8 Prozent ist aber die zweitniedrigste aller westdeutschen Bundesländer. Nur Hamburg weist eine noch bessere Quote (7,3 Prozent) auf. Am größten war die Lücke zum Stichtag 31. März 2016 bei Krippenplätzen in Bremen (20,2 Prozent), Nordrhein-Westfalen (16,2) und Rheinland-Pfalz (16,0), am niedrigsten in Mecklenburg-Vorpommern (3,1).
Laut IW befinden sich im Saarland derzeit 28,6 Prozent der Kinder unter drei Jahren in Betreuung. Bedarf bestehe aber für 40,4 Prozent, teilte das Institut mit. Der Bundestagsabgeordnete Markus Tressel (Grüne) forderte die Landesregierung auf, „schnellstens“einen Plan vorzulegen, wie sie die Zahl der Plätze ausbauen wolle. CDU und SPD warf er vor, sich diese Aufgabe „kleinzurechnen“, da im neuen Koalitionsvertrag von einer Versorgungsquote von rund 35 Prozent die Rede ist. Im Koalitionsvertrag kündigt die Landesregierung an, dafür zu sorgen, „dass die Zahl der Betreuungsplätze bedarfsgerecht weiter ansteigt“.
Nach Schätzungen des IW werden bundesweit noch deutlich mehr Krippenplätze gebraucht. „Immer mehr Frauen wollen immer früher zurück in den Job, deshalb sind Familien früher auf Betreuung angewiesen“, sagte der IW-Experte Wido Geis. Deutschland benötige über eine Million Plätze, in den vergangenen Jahren seien es jedoch nur 720 000 gewesen. Der katholische Kindertagesstätten-Verband, der rund 9200 kirchliche Kitas vertritt, betonte ebenfalls, dass der Bedarf steige.
Die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Eva Lohse, fordert daher zusätzliche Finanzmittel. Die Städte würden so lange weitere Plätze schaffen, bis alle Kinder versorgt seien, sagte Lohse der SZ: „Damit das gelingt, müssen Bund und Länder die Kinderbetreuung weiter finanziell fördern.“
Die Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte für die Kindertagesbetreuung sind zwischen 2005 und 2015 von 10,8 auf 23,7 Milliarden Euro angewachsen. Ein kürzlich vom Bundestag beschlossenes Investitionsprogramm soll bis 2020 für 100 000 zusätzliche Plätze sorgen. Dafür erhalten Länder und Kommunen 1,1 Milliarden Euro.
BERLIN Die Szene erinnert an eine „sozialistische Wartegemeinschaft“aus alten DDR-Zeiten: Vor einigen Tagen standen gut 450 Menschen in Leipzig Schlange – allerdings nicht für Südfrüchte oder Trabant-Ersatzteile, sondern um einen Platz für ihr Kind in einer noch im Bau befindlichen Kita zu ergattern. Dieser spektakuläre Vorgang hätte sich allerdings auch andernorts in Deutschland ereignen können. Nach einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW ) fehlen bundesweit 293 486 Betreuungsplätze. Besonders im Westen ist die Not groß. Dort werden 262 000 Plätze zusätzlich benötigt. Im Osten sind es 31 000.
Dabei hatte die Politik vor, schon bis 2013 rund 750 000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren zu schaffen. Doch dies sei immer noch nicht erreicht, sagte IW-Experte Wido Geis unserer Redaktion. Bislang stünden nur 720 000 staatliche oder staatlich geförderte Plätze zur Verfügung. Dabei sei der Bedarf deutlich gestiegen, so Geis. Offenkundig auch deshalb, weil die Geburten wieder zunehmen. Bei einem „Krippengipfel“im Jahr 2007 war man noch davon ausgegangen, dass sich durchschnittlich 35 Prozent der Eltern einen Betreuungsplatz für ihr Kind wünschen. Laut IW hat sich dieser Anteil mittlerweile auf 46 Prozent erhöht. Das entspricht einem Gesamtbedarf von nunmehr rund einer MillionPlätzen. Besonders groß ist die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit in Bremen. Dort fehlen 3763 Plätze. Rund 20 Prozent der Kinder, bei denen sich die Eltern für eine entsprechende Betreuung interessieren, gehen dadurch leer aus. In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind es 16 Prozent, in Niedersachsen sowie Bayern etwa 15 Prozent. Deutlich entspannter geht es dagegen in Mecklenburg-Vorpommern zu. Dort liegt die Betreuungslücke nur bei 3,1 Prozent.
Familienministerin Mauela Schwesig (SPD) verwies gestern auf das aktuelle Investitionsprogramm des Bundes, das für die Schaffung von weiteren 100 000 Kita-Plätzen sorgen soll. Der Bund müsse den Ländern und Kommunen unter die Arme greifen, „denn immer mehr junge Mütter und Väter möchten früher wieder in den Beruf zurückkehren“, meinte Schwesig. Kritik kam von der Opposition. „Die Bundesregierung redet das Problem klein und meint, mit einem Programm für 100 000 Kitaplätze bis zum Jahr 2021 sei das Problem gelöst“, bemängelte der kinderpolitische Sprecher der Linken, Norbert Müller. Auch der Familienexpertin der Grünen, Franziska Brantner, geht der Kita-Ausbau viel zu schleppend voran. Die von der Regierung bewilligten Mittel von 1,2 Milliarden Euro für 100 000 zusätzliche Plätze würden „hinten und vorne nicht“reichen.
Seit 2013 haben Kinder ab dem ersten Geburtstag einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz oder eine Tagesmutter. 2016 hatte der Bundesgerichtshof drei Familien das Recht auf Schadensersatz zuerkannt. Bislang klagen allerdings nur wenige Betroffene.