Löw nominiert zwei Saarländer für Mini-WM
Jung, unerfahren, talentiert: Bundestrainer Joachim Löw überrascht bei der Confed-Cup-Nominierung mit einem radikalen Jugendkurs.
FRANKFURT (sid) Joachim Löw ließ sich in seinen Sessel sinken, schlürfte einen Espresso und genoss die Überraschung im SeppHerberger-Saal. Diego Demme statt Toni Kroos, Marvin Plattenhardt statt Mats Hummels, Amin Younes statt Thomas Müller: Aus einem blutjungen ExperimentierKader will der Bundestrainer beim Confed-Cup zwei oder drei Weltmeister von morgen filtern. Sein 23 Spieler umfassendes Aufgebot hat zusammen nur sechs Länderspiele mehr als Lothar Matthäus (150). „Über allem stehen die WM und der Weg nach Moskau“, stellte der Bundestrainer bei seiner Kaderpräsentation in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt klar. „Das ist unsere Mission. Das ist das allergrößte Turnier. Das Ziel, Weltmeister zu werden, ist für die Ewigkeit.“Dementsprechend wird der eher lästige Confed-Cup untergeordnet: „Das ist eine Zwischenstation, ein Aufwärmen.“
Zum Turnier-Schnupperkurs dürfen etliche Spieler antreten, die bisher der zweiten Garde deutscher Fußball-Kunst zuzuordnen waren. Plattenhardt, der Freistoßexperte von Hertha BSC, auch Demme, Abräumer bei RB Leipzig. Oder Younes, der mit Ajax Amsterdam in der Europa League groß aufspielte. Für sie und Kerem Demirbay, Sandro Wagner oder Lars Stindl gilt: plötzlich Nationalspieler. „Ich stand unter der Dusche, da wurde ich plötzlich ins Büro vom Manager bestellt“, berichtete Plattenhardt verblüfft.
Löws Kalkül: In Russland will er beim Confed-Cup (17. Juni bis 2. Juli) möglichst keine Spieler sehen, die er ohnehin bestens kennt. Auch deshalb bleiben mehr als ein Dutzend Weltmeister ebenso zu Hause wie Mario Gomez, Marco Reus und Max Kruse. Löw will gegen Chile, Australien und Kamerun testen und hofft auf den einen oder anderen Volltreffer. Er sagte: „Wenn wir nur zwei oder drei Spieler Richtung Weltklasse schieben, sie auf ein neues Niveau heben, bin ich überglücklich.“
Wie konsequent er auf die Jugend setzt, überraschte. Sieben Spieler sind mögliche Debütanten, drei weitere – Benjamin Henrichs, Niklas Süle, Timo Werner – haben erst ein Länderspiel absolviert. Nur drei Weltmeister reisen mit: Julian Draxler, Matthias Ginter und Shkodran Mustafi. 17 der 23 Nominierten haben neun oder weniger Länderspiele. Einspielen können sie sich beim Länderspiel in Kopenhagen gegen Dänemark am 6. Juni und vier Tage später in der WM-Qualifikation in Nürnberg gegen San Marino.
In jedem Neuling sieht Löw das gewisse Extra. Younes sei „ein Wahnsinnsspieler im Eins-gegenEins“, Demirbay lobte er für den „finalen Pass“, Demme für das Spiel gegen den Ball. Wagner sei ein Spieler, der Bälle besonders gut binde. „Er ist offen, ehrlich und direkt. Mit solchen Charakteren haben wir keine Probleme“, sagte Löw. Zusammengefasst: „Eine gute Prise Überraschung.“
Mit den schwierigsten Ecken des kniffligen Personalpuzzles hatte sich Löw bis zur letzten Minute beschäftigt. Wem die Chance bei der A-Mannschaft geben und damit die Tür für die WM öffnen? Wen zur U21-EM schicken, die parallel zum Confed-Cup in Polen (16. bis 30. Juni) stattfindet? Das handelte Löw noch am Dienstag mit U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz aus. Es gab Härtefälle zu bereden – auch, weil DFB-Präsident Reinhard Grindel die U21-EM „das wichtigere Turnier“nannte.
Löw und Kuntz einigten sich gütlich: Serge Gnabry, Max Meyer und Jonathan Tah sollen die Führungsspieler beim U21-Turnier sein, ohne dass Löw sie aus dem Blick verliert. „Das ist beileibe keine Degradierung“, sagte Kuntz: „Es zeigt das Wahnsinnspotenzial, das der deutsche Fußball ans Laufen bringen kann.“In der A-Nationalmannschaft dabei sind dafür Leroy Sané, Julian Brandt oder Leon Goretzka. Sie dürfen als heißere Kandidaten für das Jahr 2018 gelten. Denn, wiederholte Löw: „Über allem steht immer die Weltmeisterschaft.“