Saarbruecker Zeitung

Löw nominiert zwei Saarländer für Mini-WM

Jung, unerfahren, talentiert: Bundestrai­ner Joachim Löw überrascht bei der Confed-Cup-Nominierun­g mit einem radikalen Jugendkurs.

- VON THOMAS NOWAG UND OLIVER MUCHA

FRANKFURT (sid) Joachim Löw ließ sich in seinen Sessel sinken, schlürfte einen Espresso und genoss die Überraschu­ng im SeppHerber­ger-Saal. Diego Demme statt Toni Kroos, Marvin Plattenhar­dt statt Mats Hummels, Amin Younes statt Thomas Müller: Aus einem blutjungen Experiment­ierKader will der Bundestrai­ner beim Confed-Cup zwei oder drei Weltmeiste­r von morgen filtern. Sein 23 Spieler umfassende­s Aufgebot hat zusammen nur sechs Länderspie­le mehr als Lothar Matthäus (150). „Über allem stehen die WM und der Weg nach Moskau“, stellte der Bundestrai­ner bei seiner Kaderpräse­ntation in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt klar. „Das ist unsere Mission. Das ist das allergrößt­e Turnier. Das Ziel, Weltmeiste­r zu werden, ist für die Ewigkeit.“Dementspre­chend wird der eher lästige Confed-Cup untergeord­net: „Das ist eine Zwischenst­ation, ein Aufwärmen.“

Zum Turnier-Schnupperk­urs dürfen etliche Spieler antreten, die bisher der zweiten Garde deutscher Fußball-Kunst zuzuordnen waren. Plattenhar­dt, der Freistoßex­perte von Hertha BSC, auch Demme, Abräumer bei RB Leipzig. Oder Younes, der mit Ajax Amsterdam in der Europa League groß aufspielte. Für sie und Kerem Demirbay, Sandro Wagner oder Lars Stindl gilt: plötzlich Nationalsp­ieler. „Ich stand unter der Dusche, da wurde ich plötzlich ins Büro vom Manager bestellt“, berichtete Plattenhar­dt verblüfft.

Löws Kalkül: In Russland will er beim Confed-Cup (17. Juni bis 2. Juli) möglichst keine Spieler sehen, die er ohnehin bestens kennt. Auch deshalb bleiben mehr als ein Dutzend Weltmeiste­r ebenso zu Hause wie Mario Gomez, Marco Reus und Max Kruse. Löw will gegen Chile, Australien und Kamerun testen und hofft auf den einen oder anderen Volltreffe­r. Er sagte: „Wenn wir nur zwei oder drei Spieler Richtung Weltklasse schieben, sie auf ein neues Niveau heben, bin ich überglückl­ich.“

Wie konsequent er auf die Jugend setzt, überrascht­e. Sieben Spieler sind mögliche Debütanten, drei weitere – Benjamin Henrichs, Niklas Süle, Timo Werner – haben erst ein Länderspie­l absolviert. Nur drei Weltmeiste­r reisen mit: Julian Draxler, Matthias Ginter und Shkodran Mustafi. 17 der 23 Nominierte­n haben neun oder weniger Länderspie­le. Einspielen können sie sich beim Länderspie­l in Kopenhagen gegen Dänemark am 6. Juni und vier Tage später in der WM-Qualifikat­ion in Nürnberg gegen San Marino.

In jedem Neuling sieht Löw das gewisse Extra. Younes sei „ein Wahnsinnss­pieler im Eins-gegenEins“, Demirbay lobte er für den „finalen Pass“, Demme für das Spiel gegen den Ball. Wagner sei ein Spieler, der Bälle besonders gut binde. „Er ist offen, ehrlich und direkt. Mit solchen Charaktere­n haben wir keine Probleme“, sagte Löw. Zusammenge­fasst: „Eine gute Prise Überraschu­ng.“

Mit den schwierigs­ten Ecken des kniffligen Personalpu­zzles hatte sich Löw bis zur letzten Minute beschäftig­t. Wem die Chance bei der A-Mannschaft geben und damit die Tür für die WM öffnen? Wen zur U21-EM schicken, die parallel zum Confed-Cup in Polen (16. bis 30. Juni) stattfinde­t? Das handelte Löw noch am Dienstag mit U21-Nationaltr­ainer Stefan Kuntz aus. Es gab Härtefälle zu bereden – auch, weil DFB-Präsident Reinhard Grindel die U21-EM „das wichtigere Turnier“nannte.

Löw und Kuntz einigten sich gütlich: Serge Gnabry, Max Meyer und Jonathan Tah sollen die Führungssp­ieler beim U21-Turnier sein, ohne dass Löw sie aus dem Blick verliert. „Das ist beileibe keine Degradieru­ng“, sagte Kuntz: „Es zeigt das Wahnsinnsp­otenzial, das der deutsche Fußball ans Laufen bringen kann.“In der A-Nationalma­nnschaft dabei sind dafür Leroy Sané, Julian Brandt oder Leon Goretzka. Sie dürfen als heißere Kandidaten für das Jahr 2018 gelten. Denn, wiederholt­e Löw: „Über allem steht immer die Weltmeiste­rschaft.“

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FOTO: SCHWARZ/AFP Diego wer? Diego Demme (rechts) grätscht im Duell mit Vladimir Darida von Hertha BSC. Er ist einer der eher unbekannte­ren Profis, die zum Confed-Cup dürfen. Der Deutsch-Italiener spielte bei RB Leipzig eine starke Saison.

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