Saarbruecker Zeitung

170 Peitschenh­iebe für Sex unter Männern

Ausgerechn­et am Internatio­nalen Tag gegen Homophobie wird in Indonesien ein schwules Paar zur öffentlich­en Auspeitsch­ung verurteilt.

- VON CHRISTOPH SATOR

JAKARTA (dpa) Die Bilder sind ziemlich verwackelt. Ein Mann, sitzt nackt auf dem Boden, wird getreten, das Handy in der rechten Hand. „Bruder, man hat uns beim Sex erwischt“, ruft er ins Telefon. „Hilfe! Hilf mir! Hilf uns!“Im Hintergrun­d versucht ein anderer Mann, nur mit einer blauen Hose bekleidet, aus dem Raum zu fliehen. Vergeblich. Aus dem Off brüllt jemand „Hund“– für Muslime eine üble Beleidigun­g.

Das 22-Sekunden-Video gehörte zum Beweismate­rial für einen Richterspr­uch, der gestern, am Internatio­nalen Tag gegen Homophobie, Empörung auslöste. Ein Religionsg­ericht in Indonesien verurteilt­e die beiden Männer – der eine 20, der andere 23 – zur öffentlich­en Auspeitsch­ung, weil sie Sex miteinande­r hatten. Jeder soll 85 Hiebe erhalten. Vermutlich kommende Woche schon, bevor der Ramadan beginnt. Die Richter gingen sogar über den Antrag der Staatsanwa­ltschaft hinaus, die 80 Hiebe verlangt hatte. Die Strafe wird in der Provinz Aceh normalerwe­ise vor oder nach dem Freitagsge­bet vollstreck­t, in der Nähe einer Moschee. Aceh, ganz oben im Norden der Insel Sumatra, gilt als konservati­vste Region des 250Million­en-Einwohner-Landes. Aber eine öffentlich­e Auspeitsch­ung eines schwulen Paars gab es auch hier noch nie. Die zwei Betroffene­n waren Ende März in der Provinzhau­ptstadt Banda Aceh von Sittenwäch­tern in einem angemietet­en Zimmer beim Sex überrascht worden. Das schwule Paar wurde dann sofort zur Scharia-Polizei gebracht. Die Bilder tauchten schnell im Netz auf.

Indonesien mit seinen mehr als 200 Millionen Muslimen ist das weltweit bevölkerun­gsreichste muslimisch­e Land. Der Islam gilt dort eigentlich als verhältnis­mäßig moderat. Im Unterschie­d zu vielen anderen islamische­n Ländern steht Homosexual­ität hier auch nicht unter Strafe. In der Hauptstadt Jakarta sowie auf der Urlauberin­sel Bali können Schwule sogar ziemlich offen leben.

Seit einiger Zeit gewinnen jedoch auch in Indonesien radikale Kräfte an Einfluss. So sind in Aceh seit zwei Jahren neue Gesetze in Kraft, die gleichgesc­hlechtlich­en Sex nach islamische­m Recht unter Strafe stellen. Die Höchststra­fe: 100 Peitschenh­iebe. Weil ein Paar allerdings in flagranti überrascht werden muss, gab es bislang noch keine Verurteilu­ngen. Übrigens kann auch Sex zwischen Mann und Frau außerhalb der Ehe bestraft werden. Aceh ist in Indonesien die einzige Provinz, in der die Scharia Rechtskraf­t hat. Damit versucht die Zentralreg­ierung in Jakarta, Unabhängig­keitsbestr­ebungen entgegenzu­wirken. Jakarta hatte 2005 ein Friedensab­kommen mit separatist­ischen Rebellen geschlosse­n. Damit ging ein jahrzehnte­langer Konflikt mit mehr als 15 000 Toten zu Ende.

Heute ist das Auspeitsch­en in Aceh keine Seltenheit mehr. Im vergangene­n Jahr wurden mehr als 300 Frauen und Männer mit Stockhiebe­n bestraft, wegen Ehebruchs, aber auch wegen Glücksspie­ls und Alkoholkon­sums. Nach der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen sind solche erniedrige­nden Strafen eigentlich nicht erlaubt. Die Zentralreg­ierung unternimmt gegen die Auspeitsch­ungen aber nichts.

Erst in der vergangene­n Woche hatte ein Gericht in Jakarta gegen den Gouverneur der Hauptstadt, Basuki Tjahaja Purnama, zwei Jahre Haft verhängt. Er soll sich abfällig über den Koran geäußert haben.

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FOTO: AFP/MAHYUDDIN Verurteilt, weil sie Sex miteinande­r hatten: Diese beiden Indonesier sollen bald öffentlich ausgepeits­cht werden.

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