Klug konstruierte Künstler-Collage
Neu im Kino: „Beuys“von Andres Veiel – Begnadete Hommage über den Kunst-Provokateur Joseph Beuys
Präsenz und Konsequenz – darauf komme es an in diesem Beruf, betont die Seminarleiterin nach dem ersten Unterrichtsbesuch. Anna macht ihr Referendariat an einer Grundschule. Ein Jahr, in dem sie nicht nur praktische Erfahrungen sammeln soll, sondern in dem auch geprüft wird, ob sie für den Job als Lehrerin geeignet ist.
Drei angehende Lehrerinnen und Lehrer begleitet der Dokumentarfilmer Jakob Schmidt in „Zwischen den Stühlen“(Foto: Weltkino) durch ihre Referendariatszeit an Berliner Schulen. Die Perspektive eröffnet einen neuen Blick auf das Schulsystem, weil die Berufsanwärter gleichzeitig lehren und lernen müssen. Alle drei haben diesen Beruf aus Leidenschaft gewählt. Ralf ist selbst nach der 10. Klasse von der Schule geflogen und hat sich Abitur und Studium über den zweiten Bildungsweg hart erkämpft. Mit Präsenzproblemen hat er nicht zu kämpfen, aber sein strukturiertes, zielgerichtetes Auftreten stürmt manchmal über die Aufnahmemöglichkeiten der Gymnasiasten hinweg. Katja unterrichtet an einer Gesamtschule, wo ihr das selbstbewusste Auftreten wenig zu nützen scheint. Es ist schwer durch die Mauer jugendlicher Unaufmerksamkeit durchzudringen.
Der Film wertet nicht, sondern schafft mit schneller Montage zwischen den Protagonisten ein komplexes Bild des Schulalltages, in dem der Idealismus der Berufsanfänger auf die Bildungsrealität prallt. Gerade in ihrer Unterschiedlichkeit schließt man die jungen Referendare bald ins Herz. Das ermöglicht Verständnis und Respekt gegenüber einem Beruf, der vielleicht wie kein anderer darüber entscheidet, in welcher Gesellschaft wir in Zukunft leben werden. (D 2016, 106 Min., Camera zwo (Sb)) Die Refrendarin Katja. „Der gehört doch in eine Anstalt!“, kommentiert ein erboster Besucher der BeuysAusstellung im Guggenheim-Museum. Das hätte der geniale Kunst-Provokateur Joseph Beuys gewiss als Kompliment genommen. Ebenso wie das „Forbes“Magazin, das ihn als teuersten Künstler der Welt auflistet, noch vor Warhol und Rauschenberg.
Vor 31 Jahren ist der Mann mit dem Hut gestorben, nun widmet ihm der Dokumentarfilmer Andres Veiel („Black Box BRD“) eine begnadete Hommage, die über die üblichen Darstellungen hinausgeht. Kein fleißiges Abklappern der Lebensstationen auf Wikipedia-Niveau, sondern ein Porträt mit kräftigen Pinselstrichen auf die Leinwand geworfen – wie sonst sollte man sich diesem Großkünstler sonst auch angemessen nähern.
Unzähliges, vielfach bislang unveröffentlichtes Archivmaterial hat Veiel durchforstet und lässt mit seiner klug konstruierten Collage eine intime Betrachtung des Kunst-Rebellen und seiner politischen Utopien entstehen. Die ShowQualitäten des Selbstdarstellers sind so grandios wie sein Redetalent, mit dem er die Menschen in seinen Bann zieht. Warum er auf Fett und Filz gekommen sei, will einer Reporterin wissen. Weil ihn Tartaren nach seinem Abschuss als Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg mit Fett und Filz gewärmt hätten, gibt er zu Protokoll. Wen interessieren schon Fakten, wenn die Fantasie so famose Geschichten hervorbringt.
Beuys wollte mit seiner
Beuys galt als Rebell der Kunstszene.
Kunst wenn schon nicht die Welt, so doch mindestens die Denkweisen der Menschen verändern. Und das mit großer Lust: „Wollen Sie das Lachen ausmerzen?“, fragt er in einem Plenum, „wollen Sie eine Revolution ohne Lachen machen?“So vergnüglich
und kurzweilig diese Hommage auch ausfällt, bleibt doch ein dicker Wermutstropfen: Wo sind solche Visionäre im anti-utopischen Heute? (D 2017, 107 Min., Regie: Andres Veiel; ab 26. Mai im Kino Achteinhalb Saarbrücken)