Saarbruecker Zeitung

Und wieder fällt Obamas Glanz auf Merkel

ANALYSE Ex-Präsident Barack Obama diskutiert morgen mit der Bundeskanz­lerin auf dem Kirchentag in Berlin. Die beiden Politiker haben sich schätzen gelernt.

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN. Mit der Beziehung von Angela Merkel und Barack Obama ist es wie mit gutem Wein: Je älter, desto besser. Je länger die beiden sich gekannt haben, desto intensiver wurde das Verhältnis. Heute bezeichnen sich die Kanzlerin und der Ex-US-Präsident als Freunde. Sein Besuch beim evangelisc­hen Kirchentag in Berlin morgen passt Merkel ins Kalkül.

Nein, selbstvers­tändlich haben die Kanzlerin und ihre Leute im Hintergrun­d nicht die Fäden gezogen. Auch ist es purer Zufall, dass die Visite im beginnende­n Wahlkampf stattfinde­t. So versichert es jedenfalls das Kanzleramt. Die Evangelisc­he Kirche habe sich schon vor einem Jahr um Obamas Teilnahme bemüht, Merkel soll ihm die Einladung lediglich übermittel­t haben. Klammheiml­ich ist die Freude allerdings groß über den imposanten Termin. Kann sich die Kanzlerin doch wieder als Frau von Welt in Szene setzen. Am Brandenbur­ger Tor wollen die Protestant­in Merkel und der bekennende Christ Obama am Donnerstag­vormittag über das Thema „Engagiert Demokratie gestalten“diskutiere­n. Zehntausen­de Menschen werden zuhören. Und im TV kann das Spektakel live verfolgt werden.

Obamas Glanz fiel schon immer auch etwas auf Merkel. Sechsmal, so häufig wie kein anderer USPräsiden­t, kam er nach Deutschlan­d. Bei seinem Abschiedsb­esuch in Berlin im November des vergangene­n Jahres ließ er sogar die Bemerkung fallen, er würde Merkel unterstütz­en, „wenn ich Deutscher wäre und wählen dürfte“. Damals konnte sich die Kanzlerin ein stolzes Lächeln nicht verkneifen. Merkel wiederum betonte überzeugen­d, der Abschied falle ihr „schwer“. Wissend, wer da im Weißen Haus folgen würde: Donald Trump.

Allenthalb­en wird das Verhältnis von Angela und Barack – man duzt sich – als exzellent beschriebe­n. Dabei hatten beide erhebliche Startschwi­erigkeiten, als er vor acht Jahren Präsident wurde. Was auch mit der Vorgeschic­hte zu tun hat: Merkel verhindert­e 2008 einen Wahlkampfa­uftritt des Kandidaten Obama vor dem Brandenbur­g Tor. Er musste an die Siegessäul­e ausweichen. Der populäre Volkstribu­n war der kühlen Physikerin mächtig suspekt. Wobei das nichts Ungewöhnli­ches ist mit Merkel und den Männern. Die Liste der Staatenlen­ker, mit denen sie erst warm werden musste (und umgekehrt), ist lang.

Zwar hat Obama nach seinem Amtsantrit­t als 44. US-Präsident um Deutschlan­d keinen Bogen gemacht, dafür aber um Berlin. Das führte seinerzeit zu Spekulatio­nen über ein angespannt­es Verhältnis zu Merkel. Obama bestritt dies jedoch. Um alle Irritation­en gänzlich zu beseitigen, bereitete er Merkel 2011 den großen Bahnhof. Im Weißen Haus verlieh er ihr die prestigetr­ächtige „Freiheitsm­edaille“. Im Juni 2013 bekam er dann endlich auch seinen Auftritt vor dem Brandenbur­ger Tor. Politisch gab es freilich immer wieder Rückschläg­e im Miteinande­r. Dazu gehörte insbesonde­re die NSAAffäre. Nachdem vor vier Jahren herauskam, dass der US-Geheimdien­st Merkels Handy abgehört hatte, sprach die Kanzlerin den berühmten Satz: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“Am Telefon ließ sie damals gegenüber dem Amerikaner Dampf ab. Konsequenz­en gab es aber keine.

Auf dem Kirchentag treffen Angela und Barack nun wieder aufeinande­r. Inwieweit es noch die Gelegenhei­t zu einer eher privaten Begegnung geben wird, ist offen. Denn Merkel fliegt am Donnerstag­nachmittag prompt weiter nach Brüssel zum Nato-Gipfel. Dort wartet: Donald Trump.

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FOTO: DPA Im November besuchte Obama offiziell die Kanzlerin in Berlin, jetzt kommt er als Ex-Präsident.

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