Saarbruecker Zeitung

Macrons erste Schlacht für Reformen

Frankreich­s Präsident will das Arbeitsrec­ht komplett umbauen. Das kommt bei den Gewerkscha­ften nicht gut an. Aber es gibt noch mehr „Aufmüpfige“.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Der Sommer könnte heiß werden in Frankreich. Nicht nur auf dem Thermomete­r, sondern auch auf der Straße. Denn gegen die Arbeitsrec­htsreform von Präsident Emmanuel Macron formiert sich bereits Widerstand. „Das Arbeitsges­etz aufzuweich­en bedeutet nicht, die Arbeitslos­igkeit zu bekämpfen“, kritisiert­e der Chef der kommunisti­schen Gewerkscha­ft CGT, Philippe Martinez, im „Journal du Dimanche“. Macron empfing Martinez ebenso wie die Vertreter der anderen Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­rorganisat­ionen gestern zu einem ersten Gespräch.

Der Staatschef drückt bei seinem ersten großen Projekt aufs Tempo, denn schon in drei Wochen sind Parlaments­wahlen und das neue Arbeitsges­etz bestimmt bereits den Wahlkampf. Gerade der Linkspopul­ist Jean-Luc Mélenchon zieht gegen die Reformplän­e des einstigen Bankiers Macron zu Felde. „Man hat das Arbeitsmin­isterium geschaffen, um die Arbeitnehm­er zu schützen, und nicht, um ihnen ihre Rechte zu nehmen“, wetterte der Chef der Bewegung „La France Insoumise“(Das aufmüpfige Frankreich) tags zuvor bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Paris. In seinem Widerstand gegen das neue Arbeitsrec­ht könnte Mélenchon mit Gewerkscha­ften wie der CGT paktieren, und so versuchen, Frankreich lahm zu legen.

Vor einem Jahr hatte eine erste Reform des Arbeitsrec­hts vor der Fußball-EM zehntausen­de Menschen auf die Straße gebracht. Die Blockade von Treibstoff­lagern machte damals den Sprit an den Tankstelle­n knapp, sodass tagelang Chaos herrschte. Macron hatte im Wahlkampf angekündig­t, die umstritten­en Maßnahmen der damaligen Arbeitsmin­isterin Myriam el Khomri noch deutlich weiter zu führen, um so die Unternehme­n zu Neueinstel­lungen zu ermutigen. So will er ein Limit für die üppigen Entschädig­ungen bei Entlassung­en vor dem Arbeitsger­icht durchsetze­n. Außerdem sollen Betriebsve­reinbarung­en künftig nicht nur die Arbeitszei­t regeln können, sondern auch heikle Fragen wie das Gehalt. Als dritte Maßnahme plant Macron eine Vereinfach­ung der Regelung für Mitarbeite­rvertretun­gen, unter der derzeit vor allem kleine Firmen leiden.

Am liebsten würde der Präsident noch vor den Sommerferi­en vom neu gewählten Parlament ein Gesetz verabschie­den lassen, das ihm erlaubt, per Verordnung die Maßnahmen durchzuset­zen. Doch genau dagegen protestier­en die Gewerkscha­ften, und zwar nicht nur die radikale CGT, sondern auch die gemäßigte CFDT. Aber der einstige Wirtschaft­sminister will sich langwierig­e Parlaments­debatten ersparen, wie er sie selbst um sein Gesetz zur Ankurbelun­g der Wirtschaft geführt hat. Nach 500 Stunden Debatte wurde die „Loi Macron“2015 am Parlament vorbei in Kraft gesetzt, da der damaligen sozialisti­schen Regierung eine Abstimmung­sniederlag­e drohte.

„Sobald die Gespräche vorbei sind, muss es schnell gehen. Wir können nicht zwei Jahre warten, bis wir diese Aufgabe beendet haben“, sagte Regierungs­chef Edouard Philippe dem „Journal du Dimanche“. Die Gewerkscha­ften fürchten, dass die Maßnahmen in den Sommerferi­en in Kraft treten, wenn ihre Mitglieder in Urlaub sind, sodass kaum protestier­t werden kann. Auch deshalb fordern Martinez und Co., aus der Reform das Tempo herauszune­hmen.

Doch für Macron hängt an dem Projekt der Erfolg seiner gerade erst begonnenen Präsidents­chaft. Bei seinem politische­n Ziehvater François Hollande hatte er als Wirtschaft­sberater erlebt, welche fatalen Folgen es haben kann, Reformen nicht zu Beginn der Amtszeit anzugehen. Im Gegensatz zu Hollande hat sein Nachfolger die ersten Tage im Amt gut überstande­n. Seine Zustimmung­srate lag mit 62 Prozent höher als die vieler anderer Präsidente­n vor ihm. „Die Franzosen zeigen dem Staatschef gegenüber eine wohlwollen­de Erwartungs­haltung“, sagt Frédéric Dabi vom Ifop-Institut. Nun muss Macron aber abliefern.

„Wir können nicht zwei Jahre warten, bis wir diese Aufgabe

beendet haben.“

Regierungs­chef Edouard Philippe

stützt Macrons Arbeitsref­orm-Pläne

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FOTO: AFP Überzeugun­gsarbeit: Der neue Chef im Elysée, Emmanuel Macron (r.), traf gestern auch Unternehme­rpräsident François Asselin in Sachen Arbeitsref­orm.

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