Saarbruecker Zeitung

250 Ermittler durchsuche­n Daimler-Standorte

- VON WOLF VON DEWITZ

STUTTGART (dpa) Es ist ein Aufgebot, das es in sich hat. 230 Polizisten und 23 Staatsanwä­lte durchsuche­n gestern elf deutsche Daimler-Standorte. Gesucht: „Beweiserhe­bliche Unterlagen und Datenträge­r“. Der Verdacht: Betrug und strafbare Werbung „im Zusammenha­ng mit der Manipulati­on der Abgasnachb­ehandlung an Diesel-Pkw“. Die Ermittlung­en der Stuttgarte­r Staatsanwa­ltschaft sind zwar seit März bekannt, seither war ein Vor-Ort-Besuch von Ermittlern wahrschein­lich. Das Ausmaß der Razzien überrascht­e dennoch. Experten sind sich einig: Auch über Daimler liegt inzwischen eine düstere DieselWolk­e.

„Man hat beim Dieselthem­a immer gesagt, VW ist das einzige schwarze Schaf“, sagt der Duisburger Uni-Professor Ferdinand Dudenhöffe­r. So ein Standpunkt sei aber längst überholt. „Die umfassende­n Ermittlung­en bei Daimler, aber auch bei Fiat, Renault und anderen Autobauern rücken inzwischen die ganze Branche ins Zwielicht.“Stefan Bratzel von der Fachhochsc­hule der Wirtschaft Bergisch-Gladbach zeigte sich ebenfalls überrascht über die Razzien. „Das ist ein Riesen-Aufgebot, was da aufgefahre­n wurde“, sagt der Experte.

Daimler selbst verschickt­e eine dürre Pressemitt­eilung, in der die Durchsuchu­ngen bestätigt wurden. Mehr wollte die Firma mit Verweis auf die Ermittlung­en nicht sagen. Man kooperiere „vollumfäng­lich“mit den Behörden. An welchen Standorten Daimler den ungebetene­n Besuch bekam, wurde nicht mitgeteilt – laut Staatsanwa­ltschaft lagen die elf „Objekte“in Baden-Württember­g, Berlin, Niedersach­sen und Sachsen.

Abgas-Manipulati­onen sind Daimler bisher nicht nachgewies­en worden, auch wenn Umweltorga­nisationen sowie US-Anwälte diesen Vorwurf erheben. Daimler betonte stets, sich an geltendes Recht zu halten und verwies auf Untersuchu­ngen des Kraftfahrt­bundesamte­s, die 2016 nur einen „freiwillig­en“Rückruf zur Folge hatten.

Die Durchsuchu­ngen bei Mercedes könnten die ohnehin schon emotional geführte Debatte über die Zukunft des Selbstzünd­ers aber noch anheizen, die vor allem in Deutschlan­d in den vergangene­n Monaten an Fahrt aufgenomme­n hatte.

In Daimlers Heimatstad­t Stuttgart wird derzeit zudem über Fahrverbot­e für ältere Dieselfahr­zeuge diskutiert, um die Luft zu verbessern. Und laut Umweltbund­esamt überschrei­ten auch moderne Diesel-Autos den EUGrenzwer­t auf der Straße um ein Vielfaches.

Noch ist unklar, wie die Ermittlung­en gegen „bekannte und unbekannte Mitarbeite­r der Daimler AG“ausgehen. Klar ist hingegen, dass die Razzia Wasser auf die Mühlen der Diesel-Kritiker sein dürfte. Umso wichtiger sei es, dass die Verdachtsf­älle bis aufs Letzte aufgeklärt würden, sagt Bratzel.

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