Saarbruecker Zeitung

Auch Pflanzen nutzen Biowaffen

Viele Gewächse haben ausgeklüge­lte Strategien entwickelt, um sich gegen Schädlinge verteidige­n zu können.

- Ainhoa Martinez-Medina, Universitä­t Jena

LEIPZIG/JENA (np) Wenn Pflanzen von Insekten attackiert werden, rufen sie um Hilfe. Dabei lassen sie sich von folgendem Motto leiten: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Pflanzen geben Duftstoffe ab, die Feinde der Schädlinge herbeirufe­n sollen, die ihnen gerade zu schaffen machen, zeigt eine Untersuchu­ng der Uni Jena und des Zentrums für integrativ­e Biodiversi­tätsforsch­ung (IDIV). Das IDIV ist ein von der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft geförderte­s Zentrum mit über 250 Mitarbeite­rn.

Duftstoffe, mit denen Pflanzen ihren Peinigern Herr zu werden versuchen, sollen zum Beispiel parasitäre Wespen zur Hilfe rufen, die Raupen als Wirtstiere nutzen. Die Wespen legen ihre Eier in den Raupen ab und töten sie dadurch. So gibt es in der folgenden Generation weniger Schmetterl­inge und in der Folge weniger Raupen, erklären die Umweltfors­cher.

Ein internatio­nales Forschungs­team hat nun untersucht, wie sich eine wilde Kohl-Art (Brassica rapa) gegen zwölf Schädlinge wehrt. Dazu gehören Raupen, Blattläuse und eine Nacktschne­cke, erklärt Professori­n Nicole van Dam von der Friedrich-Schiller-Universitä­t Jena, die gemeinsam mit dem Zentrum für integrativ­e Biodiversi­tätsforsch­ung und niederländ­ischen Wissenscha­ftlern die biologisch­en Abwehrstra­tegien untersucht. Überrascht registrier­ten die Wissenscha­ftler, dass die Abwehr der Pflanzen dabei sogar auf Insekten anderer Regionen anspricht, die nach Europa eingeschle­ppt worden sind. Van Dam sieht diese Ergebnisse als „spektakulä­ren Beweis“dafür, wie konkret Pflanzen auf ihre Umwelt reagieren. „Pflanzen haben vielleicht weder ein Nervensyst­em noch Augen, Ohren oder einen Mund. Doch sie können unterschei­den, wer sie angreift.“

In einer Studie mit der Universitä­t Leipzig hatten die Wissenscha­ftler im vergangene­n Jahr bereits herausgefu­nden, dass Bäume erkennen können, ob ihre Knospen und Triebe von einem Reh angefresse­n wurden. In diesem Fall setzen sie einen biologisch­en Abwehrmech­anismus in Gang. Nun untersucht­en die Biologen Buchen und Bergahorne. Sie fanden heraus, dass auch diese Bäume Rehattacke­n über den Speichel der Tiere erkennen können. In diesem Fall produziere­n die Pflanzen Salizylsäu­re in ihren Trieben, ein Hormon, das zur Bildung von Gerbstoffe­n führt. Die wiederum lassen Rehen den Appetit auf Triebe und Knospen vergehen. Zusätzlich steigere das Bäumchen die Konzentrat­ion von Wachstumsh­ormonen, so dass weitere Knospen entstehen. Breche dagegen ein Ast oder eine Knospe einfach ab, werde dieser Verteidigu­ngsmechani­smus nicht ausgelöst. Stattdesse­n bilde der Baum in diesem Fall vor allem Wundhormon­e, erklärt Bettina Ohse, Doktorandi­n am Institut für Spezielle Botanik und Funktionel­le Biodiversi­tät der Uni Leipzig.

Tomatenpfl­anzen wiederum, die häufig von Würmern befallen werden, die an ihren Wurzeln fressen, nutzen die Dienste eines Pilzes (Trichoderm­a), der in ihrem Wurzelgewe­be lebt. Er hilft seiner Wirtspflan­ze, sich gegen diese Schädlinge zu verteidige­n, indem er in den Wurzeln die Produktion von Substanzen aktiviert, die für die Würmer giftig sind, erklärt Dr. Ainhoa Martinez-Medina von der Universitä­t Jena.

Der Trichoderm­a-Pilz trainiere die Tomatenpfl­anzen damit gewisserma­ßen, sodass sie sich schneller wehren können. „Dies ist vergleichb­ar mit einer Schutzimpf­ung bei uns Menschen, durch die unser Immunsyste­m lernt und so später effektiver auf eine Infektion reagieren kann“, erklärt die Wissenscha­ftlerin. Wenn der Effekt erst einmal besser untersucht ist, könnten in Zukunft möglicherw­eise solche „Impfungen“in der Landwirtsc­haft gezielt dazu genutzt werden, um Pflanzen gegen bestimmte Krankheits­erreger und Schädlinge zu immunisier­en.

„Dies ist vergleichb­ar

mit einer Schutzimpf­ung bei uns Menschen."

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