Saarbruecker Zeitung

Der Kampf gegen die Becher-Flut

Coffee-to-go-Becher schaden der Umwelt immens. München will sie jetzt verbannen.

- VON CHRISTINE SCHULTZE

MÜNCHEN (dpa) Schnell austrinken und dann ab damit in den Müll – täglich verbrauche­n die Menschen alleine in Deutschlan­d hunderttau­sende Einwegbech­er für den schnellen Kaffee zum Mitnehmen. Dabei gibt es inzwischen zahlreiche Projekte im ganzen Land, um der Abfallflut Herr zu werden. Der Erfolg allerdings ist bisher überschaub­ar. Jetzt plant auch München eine Kampagne und will die Pappbecher aus städtische­n Kantinen verbannen. Das grüne Licht des Stadtrats fehlt aber noch.

Fast drei Milliarden Einwegbech­er werden pro Jahr nach Schätzunge­n der Deutschen Umwelthilf­e bundesweit für „Coffee-togo“verbraucht, hinzu kommen Zubehör wie Plastikdec­kel, Rührstäbch­en und Strohhalme. Nach wenigen Minuten Gebrauch landet das alles im Müll und lässt in vielen Innenstädt­en die Abfallbehä­lter überquelle­n – und belastet damit nicht nur die Umwelt, sondern auch die Abfallwirt­schaft der Kommunen. Eine ganze Reihe von Initiative­n kämpft mittlerwei­le für die Eindämmung der Becher-Flut. In Freiburg etwa lief im vergangene­n November ein Pfandsyste­m an: In mittlerwei­le rund 80 Cafés und Bäckereien können sich die Kunden dort ihren Kaffee auch in eigens dafür ausgegeben­e Pfandbeche­r füllen lassen, für die sie bei Rückgabe einen Euro erstattet bekommen. Die Münchner Umweltakti­vistin Julia Post hat bundesweit rund 400 Betriebe für ihre Initiative „Coffee to go again“gewonnen, in denen Kunden mit ihren eigenen Bechern und Tassen willkommen sind und teils einen Rabatt erhalten. Aber auch große Spieler wie McDonald’s, Tchibo oder Starbucks schenken den Kaffee auf Wunsch in mitgebrach­te Mehrwegbeh­älter aus. Die passenden Becher werden teilweise gleich mit angeboten.

Wie sich der BecherVerb­rauch seit Start der Initiative­n verändert hat, ist schwierig zu messen, sagt Julia Post, die Mitglied im Münchner Stadtvorst­and der Grünen ist. Bisher gebe es keine verlässlic­he Daten.

Posts Eindruck: Das Bewusstsei­n für das

Thema ist mittlerwei­le da. Aber am Verhalten habe sich noch nicht viel geändert. Auch die McDonald’s-Kunden brauchen noch Anlaufzeit: Das Gäste-Feedback sei zwar positiv, „im Moment bewegt sich die tatsächlic­he Nutzung allerdings noch auf einem eher niedrigen Niveau, steigt aber an“, sagt ein Sprecher. In Freiburg muss das Thekenpers­onal teilnehmen­der Cafés die Kunden weiter aktiv ansprechen, und der Rücklauf gebrauchte­r Becher ist nach einer Zwischenbi­lanz noch ausbaufähi­g. Auch die Umwelthilf­e geht davon aus, dass sich der Einweg-Verbrauch nur wenig verändert hat. Zwar nutzten mehr Leute Mehrwegsys­teme, doch steigt zugleich der Außer-HausKonsum von Kaffee – auch im Einwegbere­ich, wie Thomas Fischer von der Umwelthilf­e sagt.

Dass nicht längst jeder Kunde einfach selbst seinen Becher mitbringt, hat viele Gründe: Beim spontanen Stadtbumme­l ist der Becher nicht parat oder die Angst, dass Kaffeerest­e in der Handtasche landen, ist zu groß. Längst noch nicht jedes Café sagt außerdem Ja zum Befüllen mitgebrach­ter Becher, denn da müssen auch umfangreic­he Hygienevor­schriften beachtet werden. Das bayerische Umweltmini­sterium hat eine Anleitung ins Internet gestellt: Berührungs­los und aus einem speziellen Behälter sollte der ganze Vorgang demnach möglichst ablaufen, in zumindest augenschei­nlich saubere Becher.

Auch Politiker befassen sich inzwischen mit dem Thema: Vor einem knappen Jahr sagten die Umweltmini­ster der Länder den Einwegbech­ern den Kampf an. Den Bund forderten sie auf, die Folgen für die Umwelt zu untersuche­n und zu prüfen, ob sich das Problem durch Verbrauche­raufklärun­g und freiwillig­e Maßnahmen der Wirtschaft eindämmen ließe. Falls nein, drohten die Minister auch mit Zwang, indem sie den Bund baten, „die Möglichkei­ten anderweiti­ger, rechtliche­r Maßnahmen zu prüfen“. Das Bundesumwe­ltminister­ium hat eine entspreche­nde Studie ausgeschri­eben, mit deren Ergebnisse­n allerdings erst Ende 2018 gerechnet wird. Einen Runden Tisch hatte die bayerische Staatsregi­erung ins Leben gerufen. Im Herbst sollen darüber bereits zum dritten Mal Wirtschaft, Verbände und Kommunen erörtern, wie der Konsummüll in den Städten zu reduzieren ist.

Das größte Problem scheint aber das Umdenken der Verbrauche­r zu sein. Denn nach vielen Jahren Wegwerfmen­talität ist das gar nicht so einfach, sagt Umwelthilf­e-Experte Fischer. „Musiker, Schauspiel­er und Prominente lebten jahrelang etwas Falsches vor, wenn Sie auf roten Teppichen mit Coffee-to-go-Einwegbech­ern zu Veranstalt­ungen gingen oder am Film-Set dutzendfac­h Pappbecher verbraucht­en.“Der Experte empfiehlt ein offensiver­es Werben für die Mehrwegide­e, wie es jetzt in München geplant ist, sowie Systeme mit einheitlic­hen Bechern und einem möglichst dichten Rücknahmen­etz. So könnten wiederbefü­llbare Becher massenmark­ttauglich werden.

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