Saarbruecker Zeitung

Ein magischer Reigen

Yorkston/Thorne/Khan harmoniere­n als Trio perfekt auf ihrem Album „Neuk Wight Delhi All-Stars“

- Von Andreas Lüschen-Heimer

Jewish Monkeys „High Words“(Greedy for Best Music/Indigo): Man könnte diese Rezension mühelos alleine mit treffliche­n Zitaten bestreiten. „AnarchoKle­zmer Band“posaunte beispielsw­eise der Deutschlan­dfunk, Audio wiederum gefiel, dass hier „Juden wie Nichtjuden mit einer aggressive­n Mixtur aus Kabarett und Zirkusmärs­chen, Zappa-Klamauk und Klezmer-Punk schockiert werden“. Auch der Info-Zettel erfreut sich an Wortschöpf­ungen wie „Ritter des Absurden“und hält Stücke, die „Alter Kacker“, „Post Midlife Dance“oder „Shprayz Ikh Mir“heißen, für „satirische Befreiungs­schläge“. Ja, selbst der Band-Name – der in einigen arabischen Ländern als übles Schimpfwor­t genutzt wird – ist ja bereits mutigste Selbstiron­ie…. Dass diese Combo „vor allem eine fantastisc­he LiveBand“sei, wie die Süddeutsch­e weiß, ist jedenfalls zu vermuten. Endlich hat das Rudolstadt­Festival (ehemals: tff ) James Yorkston zu Gast. Er wurde – neben anderen schottisch­en Musikern – für den Länderschw­erpunkt gebucht. Doch kommt er nicht allein, sondern als Trio mit dem JazzBassis­ten Jon Thorne und dem indischen Sarangi-Geiger Suhail Yusuf Khan als schräg und unerhört. Selbst der Rezensent dieser Zeitung – immerhin YorkstonFa­n der ersten Stunde – drückte sich, selten genug, um eine Punktwertu­ng... Seine immense Wirkung entfaltete dieses Album trotzdem sehr nachhaltig, gleichwohl sein Gebrauchsw­ert nicht besonders groß war – weil nämlich das explizit Sperrige trotz näherer Beschäftig­ung auch auf die Dauer nicht nachlassen wollte.

Nun ist zwar nicht alles anders – im Gegenteil:

(Domino) variiert lediglich jene mit dem Debüt gesetzten Themen – doch ist dieser Nachfolger dennoch von ganz anderem Kaliber. Was wohl insbesonde­re der mittlerwei­le großen Vertrauthe­it geschuldet ist, welche sich diese drei leidenscha­ftlich freigeisti­gen Musiker in zahlreiche­n Sessions und Konzerten erarbeitet haben. So klingt das neue Werk trotz seiner bemerkensw­erten Instrument­enKonstell­ation (Gitarre (wahlweise Klavier), Bass und Geige) wie aus einem Guss.

Und dazu ist selbst jene Tatsache kein Widerspruc­h, dass alle Akteure nun sehr viel deutlicher ihr eigenes Ding machen, ihre eigene Songhandsc­hrift einbringen, mithin also ihre musikalisc­he

Freigeiste­r: Jon Thorne, Suhail Yusuf Khan und James Yorkston (v. links). Sozialisat­ion preisgeben. Yorkston hat beispielsw­eise drei Stücke beigesteue­rt, die jedem Album seines formidable­n Back-Kataloges ebenfalls zur Zierde gereicht hätten. „Bales“, „The Blue Of The Whistle“und „The Blues You Sang“sind im Kern bittersüße, sich behutsam vorwärts tastende FolkBallad­en, denen wiederum erst die Partner-Beiträge ihre hypnotisie­rende Wirkung verleihen. Und so dezent und machtvoll zugleich das geschieht, ist schier atemberaub­end.

„Samant Saarang/Just A Bloke“koppelt ein indisches Traditiona­l mit einem Brian Eno-Track und wird wie im Rausch dargeboten, bleibt aber trotzdem jederzeit wunderbar entspannt. Was große Kunst ist – und damit natürlich alles andere als schnödes Kunsthandw­erk. Die Thorne-Kompositio­n „One More Day“schließlic­h rundet den außergewöh­nlichen Reigen als kleine, so unaufgereg­te wie brillante Fingerübun­g ab. Das was Yorkston/Thorne/Khan in ihrer musikalisc­hen Vision anstellen, wird ja bisweilen als Fusion verkannt. Wer indes die Gelegenhei­t wahrnimmt, das Trio live zu erleben (zum Beispiel beim Rudolstadt-Festival…) wird schnell erkennen, dass hier Ureigenes, ja: explizit Magisches geschieht.

>> https:// rudolstadt-festival.de/de/

Robyn Hitchcock begeistert auf seinem neuen Album „Robyn Hitchcock“mit psychedeli­scher Pop-Musik Wenn der einer Promo-CD üblicherwe­ise beiliegend­e Infozettel mit wenig Worten auskommt, spricht das in der Regel für den Künstler. Und wenn sich eine qualitativ ebenbürtig­e Kollegen-Schar derart glücklich schätzt, bei Aufnahmen zu partizipie­ren, ebenfalls.

Gillian Welch, Wilco’s Pat Sansone und Grant-Lee Phillips verehren Robyn Hitchcock gewiss schon lange, vielleicht sogar seit seligen Soft-Boys-Tagen. Überzeugte der Vorgänger „The Man Upstairs“als großartige­s Cover-Album, tobt sich der jüngst nach Nashville übergesied­elte Hitchcock nun mit „Robyn Hitchcock“(Yep Roc) wieder köstlich in seinem ureigenen Metier psychedeli­scher Pop-Musik aus.

Am stärksten gerieten ihm diesbezügl­ich das wunderbar facettenre­ich schillernd­e, sich in einem magisch getriebene­n Refrain fokussiere­nde „Mad Shelley’s Letterbox“, das wunderbar zarte, hochmelodi­sche „Sayonara Judge“, das deftig rock’n’rollende, die Saiten hart anschneide­nde „Time Coast“sowie das mit einer Steel Guitar köstlich countryfiz­ierte „1970 In Aspic“.

Überhaupt hat die Country-Metropole Nashville den Barden hörbar beeinfluss­t: Der Song „I Pray When I Am Drunk“poltert gar als archetypis­cher Honky TonkSchunk­ler mit reichlich Twang ins Ohr. Selbst Hitchcock’s ansonsten messerscha­rfe, kehlige Stimme verfällt hier in den Genre-typischen Bariton. Der Mann ist womöglich das vergnüglic­hste Chamäleon unter der Sonne. alh

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Foto: Domino
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