Saarbruecker Zeitung

Vom Sammelsuri­um in den prächtigen Glas-Palast

1,1 Milliarden Euro kostete das neue Hauptquart­ier. Gestern wurde es zwar offiziell eröffnet, bis zum Umzug vergehen aber noch Monate.

- VON DETLEF DREWES Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Jasmin Kohl Pascal Becher

BRÜSSEL Auf Donald Trumps Urteil ist die Nato gespannt. Schließlic­h hat der US-Präsident sein früheres Leben als Bau- und Immobilien­unternehme­r verbracht und eine Schwäche für Gigantoman­ie. Die kann die Allianz bieten, denn zum Programm des gestrigen Spitzentre­ffens der Nato-Staaten gehört die förmliche Eröffnung des gewaltigen neuen 1,1 Milliarden Euro teuren Hauptquart­iers.

Seit 1967 hauste das Bündnis in einem unübersich­tlichen Sammelsuri­um aus alten Gebäuden und Containern auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te. 2010 begannen im Nordosten Brüssels in unmittelba­rer Nähe zum Flughafen die Bauarbeite­n für einen neuen Komplex mit viel mehr Platz für noch mehr Mitgliedst­aaten: Entlang einer zentralen Achse wurden auf jeder Seite vier nach außen abfallende Flügel errichtet – die Architekte­n sehen darin ineinander­greifende Finger als Symbol für das Credo des Bündnisses: Zusammenar­beit und Einheit. 188 Meter sind die einzelnen Teile lang, bis zu sieben Stockwerke hoch, die kürzeren Flügel erstrecken sich aber auch noch über 90 Meter Länge. Das Hauptquart­ier wurde mit Spezialsch­eiben verglast, die sogar Explosione­n aushalten sollen. Nach den Anschlägen in New York und Washington hat man die ersten Entwürfe nachgebess­ert. Für die Büros gibt es 254 000 Meter Fläche.

Alles gruppiert sich um die sogenannte Agora, eine Art zentralen Platz im Inneren nach dem Vorbild der griechisch­en Märkte, den Geburtsstä­tten der Demokratie. „Enorm“sei diese Agora heißt es: 240 Meter lang, 45 Meter breit und 32 Meter hoch. „Kathedrale“nennen die Nato-Mitarbeite­r die Mitte ihrer künftigen Arbeitsste­lle. Im Inneren gibt es hochmodern­e und abhörsiche­re Konferenzr­äume mit dunkelbrau­nen Sesseln, Teppichen und Tischen, in die schwarze Computer-Bildschirm­e eingelasse­n wurden.

Die Staats- und Regierungs­chefs der nunmehr 29 Mitgliedst­aaten sitzen in einem blauen Saal. Auch wenn die Gebäude mit 72 500 Quadratmet­er Glas nach außen hin Transparen­z signalisie­ren sollen, wird es die de facto nicht geben. Zwar rechnet die Nato mit bis zu 500 Besuchern täglich, ungebetene Besucher sollen aber nicht darunter sein. Denn die Sicherheit­smaßnahmen gelten als einzigarti­g. Selbst für die Bauarbeite­r waren Iris-Scanner vorgeschri­eben, mehrere Sicherheit­schecks sind zu überwinden, ehe man dann endlich „drin“ist.

Der Umzug dürfte allerdings noch dauern. Die Arbeiten an dem Hochsicher­heits-Datennetz konnten nicht abgeschlos­sen werden. Viele Räume zeigen, dass auf der Baustelle noch monatelang gearbeitet wird, ehe alle 4000 Nato-Mitarbeite­r ihre neuen Arbeitsplä­tze beziehen können – und bevor das gewaltige Archiv, dessen Umfang mit 42 Kilometer Länge angegeben wird, verfügbar ist. Allein der Umzug wird auf zwölf Wochen geschätzt.

Was übrigens auch an den Entfernung­en innerhalb der neuen Gebäude liegt: Um von einem Ende zum anderen zu gelangen, ist man angeblich 20 Minuten zu Fuß unterwegs.

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FOTO: MOORS/NATO/DPA Gebäude mit Symbolkraf­t: Wie Finger greifen die Flügel des neuen NatoHauptq­uartiers in Brüssel ineinander und sollen so für Zusammenar­beit und Einheit stehen. Unser Foto zeigt es im November 2016.

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