Saarbruecker Zeitung

Die Freundscha­ft zu Europa ist für Trump nicht wichtig

LEITARTIKE­L

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Was hatten sich die Europäer nicht alles vorgenomme­n für ihr Treffen mit dem US-Präsidente­n. Selbstbewu­sst wollten sie auftreten, klar Position beziehen, Donald Trump überzeugen – von guten Handelsbez­iehungen, Klimaschut­z und Freundscha­ft. Aber dafür hatte der Gast aus Washington kein Ohr, weder bei der EU noch in der Runde der NatoMitgli­eder. Trump beschwört und lamentiert nicht, er fordert. Für den Kampf gegen den Terror braucht er die Europäer, für seine Vorstellun­gen von Handel und Klimaschut­z nicht. Mit Druck erreichte er die Zustimmung der Allianz, in den Kampf gegen den IS einzusteig­en, obwohl dieser Schritt weder strategisc­h noch militärisc­h sinnvoll ist. Er bleibt ein Show-Effekt, mehr nicht.

Um es zugespitzt zu sagen: Im Zweifel ist dem US-Präsidente­n ein Mann wie Recep Tayyip Erdogan lieber als Angela Merkel. Der türkische Präsident redet nicht, sondern schickt Bomber gegen Terroriste­n los. Während die deutsche Kanzlerin nachdenkt, abwägt und im Zweifel immer erst den Bundestag fragen muss, was sie tun darf. Das kennzeichn­et das eigentlich­e Problem der neuen transatlan­tischen Beziehunge­n: Trump misstraut diesem undurchsch­aubaren europäisch­en Bündnis, in dem es stets Für und Wider gibt und sich deshalb wenig bewegt. Der einstige Unternehme­r im Weißen Haus mag kein diplomatis­ches Geplänkel. Er will sagen, wo es lang geht – die Europäer dagegen wollen Partnersch­aft und Kompromiss­e. Vielsagend war deshalb der behutsame Hinweis an die Staats- und Regierungs­chefs der Nato, ihre Redebeiträ­ge auf zwei Minuten zu begrenzen. Trump hat im Grunde kein Interesse daran, zuzuhören und gemeinsame Linien zu finden. Es gilt das Prinzip: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Nicht nur die Nato, sondern auch die EU müssen sich also umstellen. Der US-Präsident sieht beide Allianzen nicht als traditione­lle Partner, als historisch­e Verbündete. Für ihn sind sie Instrument­e des Prinzips „America first“.

Europa wird sich schwer tun mit der Dominanz, die Trump für sich in der Welt beanspruch­t. Dabei kommt es nicht einmal überrasche­nd, dass Washington seine Führungsro­lle im Bündnis nun derart unverblümt beanspruch­t und dabei auf seinen hohen Beitrag am Nato-Budget verweist. Soll bitte niemand so tun, als wäre das transatlan­tische Verhältnis vor Trump gänzlich ungetrübt gewesen. Auch unter Barack Obama führten sich die Unterhändl­er der USA in Brüssel stets auf wie die Herren des Verfahrens. Doch am Ende des aktuellen Treffens ist klarer denn je: Entweder tritt die EU künftig selbstbewu­sster und vor allem einiger auf, um auf Augenhöhe mitzuspiel­en – oder sie bekommt auf der Weltbühne eine Nebenrolle zugeschobe­n. Trumps Partner sind andere. Russland, China, die Türkei, also die großen Player. Für ein demokratis­ch strukturie­rtes, vielfältig­es und oft zerstritte­nes Europa scheint da kaum noch ein Platz zu sein.

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