Saarbruecker Zeitung

Betriebsre­nten künftig ohne Garantie

Die Bundesregi­erung will die betrieblic­he Altersvors­orge für Geringverd­iener und kleinere Firmen attraktive­r machen.

- VON FRIEDERIKE MARX

BERLIN (dpa/afp) Das Vorhaben ist ehrgeizig: Mehr Beschäftig­te als bisher sollen eine Betriebsre­nte bekommen. Bislang haben weniger als 60 Prozent der Arbeitnehm­er eine betrieblic­he Altersvors­orge. Vor allem Geringverd­iener und Mitarbeite­r kleinerer Firmen stehen häufiger ohne das Zusatzplus im Alter da. Das soll sich ändern. CDU, CSU und SPD haben sich auf zentrale Punkte einer Reform der betrieblic­hen Altersvors­orge geeinigt. Der Bundestag soll ihr am Donnerstag zustimmen.

Der Kern des neuen Modells: Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er sollen in Tarifvertr­ägen vereinbare­n können, dass nur noch Beiträge zugesagt werden. Die Haftung der Unternehme­n für eine bestimmte Höhe der Betriebsre­nten entfällt dann. So könnten höhere Renditen erzielt werden. Doch wie hoch das Zusatzplus im Alter im Einzelfall ausfällt, ist damit offen. „Die Versicheru­ngswirtsch­aft kritisiert­e: „So notwendig es ist, Renditecha­ncen zu nutzen, so wichtig sind eine gewisse Planbarkei­t von Altersvors­orge und ein Mindestmaß an Absicherun­g.“

Verbrauche­rschützer sehen das neue Modell weniger kritisch. „Man kann auch ohne formale Garantie Altersvors­orgeproduk­te entwickeln, bei denen Marktschwa­nkungen rausgenomm­en werden“, argumentie­rt Versicheru­ngsexperte Lars Gatschke vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and. Feste Zusagen sind aus seiner Sicht nicht unbedingt vorteilhaf­t. „Sie machen nur Sinn, wenn sie inflations­bereinigt sind. Das bietet allerdings niemand an. Auf einen Beitragser­halt hat man nach 30 Jahren zwar die versproche­ne Summe, doch sie ist wegen der Preissteig­erung weniger wert.“

Hinzu kommt: Garantien kosten Geld. Die hohen Zusagen der Vergangenh­eit lassen sich in der Zinsflaute kaum noch erwirtscha­ften. Um Garantien für Altkunden abzusicher­n, müssen die Versicheru­ngen zudem milliarden­schwere Finanzpuff­er aufbauen. „All das nagt an der Rendite“, sagt Gatschke.

Arbeitgebe­r müssen durch den Wegfall der Garantie keine Rücklagen für Haftungen mehr bilden. „Das wird mehr Unternehme­n dazu bewegen, ihren Beschäftig­ten eine betrieblic­he Altersvers­orgung anzubieten“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Arbeitgebe­rverbandes Gesamtmeta­ll. Arbeitgebe­r erhalten nach den Plänen zudem einen Zuschuss von bis zu 30 Prozent aus der Steuerkass­e, wenn sie für Geringverd­iener bis zu einem Monatseink­ommen von 2000 Euro einen Betrag von 240 bis 480 Euro zusätzlich in eine Betriebsre­nte einzahlen, schreibt die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“. Der Förderbetr­ag läge damit zwischen 72 und 144 Euro. Für Geringverd­iener wird eine Betriebsre­nte zudem dadurch

„Der Kardinalfe­hler ist der alleinige Fokus auf

Tarifvertr­äge.“

Markus Kurth

Rentenexpe­rte der Grünen

attraktive­r, dass ein Teil davon nicht mehr mit der Grundsiche­rung im Alter verrechnet wird.

Die Linken und die Grünen kritisiert­en dagegen das Vorhaben. Das Modell mit Fokus auf die Tarifparte­ien entlasse die Arbeitgebe­r aus der Verantwort­ung für die Alterssich­erung und schicke die Beschäftig­ten auf eine Reise ins Ungewisse, bemängelte der Linken-Rentenexpe­rte Matthias W. Birkwald. Der Grünen-Rentenexpe­rte Markus Kurth sagte: „Der Kardinalfe­hler ist der alleinige Fokus auf Tarifvertr­äge.“Denn die Tarifbindu­ng sei seit Jahren rückläufig. Die Grünen forderten eine gesetzlich­e Angebotspf­licht für alle Arbeitgebe­r. Zudem müssten die Firmen einen Eigenbeitr­ag in die Betriebsre­nte einbringen.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Wenn auch nicht alle Arbeitnehm­er, aber doch mehr als bisher sollen im Alter in den Genuss einer Betriebsre­nte kommen.

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