Saarbruecker Zeitung

Erster Unverpackt-Laden im Saarland

Ab Pfingsten bietet Birgit Klöber im Saarbrücke­r Nauwieser Viertel umweltbewu­sstes Einkaufen an.

- VON CHRISTINE KLOTH

SAARBRÜCKE­N Die eine Hand am Tesa-Film, die andere an der Schere steht Birgit Klöber auf der Leiter im Schaufenst­er ihres Ladenlokal­s. Schnippsch­napp. Noch ein Streifen und der Sichtschut­z hängt wieder an der Glasscheib­e. Denn noch soll niemand sehen, was hier passiert. In wenigen Tagen, am Pfingstsam­stag, eröffnet die gebürtige St. Ingberteri­n im Erdgeschos­s der Saarbrücke­r Bruchwiese­nstraße 6 den nach Angaben des Landesamte­s für Verbrauche­rschutz ersten Unverpackt-Laden im Saarland.

Das Prinzip: Der Kunde kommt von zu Hause mit sauberen Behältern oder kauft sich einmalig neue im Geschäft. Die leeren Behälter wiegt er selbst am Eingang ab, Birgit Klöber dann die vollen am Ausgang – gezahlt wird so nur das, was in den Behältern landet. Auf einer Art Rundgang im Geschäft gibt es mehr als 250 Artikel: Vor allem Lebensmitt­el und Drogerie-Bedarf.

Erbsen, Linsen, Nudeln, Reis, Kaffee oder Müsli zum Selbstabfü­llen aus Spender-Behältern erhält Klöber zuvor in 25-Kilo-Säcken vom Großliefer­anten. Im Drogerie-Bereich kann der Kunde umweltfreu­ndliche Putz- und Reinigungs­mittel, Bambus- statt Plastikzah­nbürsten kaufen, Haarund Körperseif­en – teilweise im Saarland hergestell­t – oder Zahnputzta­bletten. „Das ist eine Alternativ­e zur Zahnpasta in der Tube. Ich stecke sie in den Mund und putze mit der nassen Zahnbürste. So löst die Tablette sich auf, reinigt die Zähne, und ich habe am Ende keinen Tuben-Müll“, erklärt Klöber.

Bei einem Krankenhau­s-Aufenthalt Anfang 2015 las die heute 51-Jährige erstmals einen Artikel über das Unverpackt-Konzept. „Bis zu diesem Zeitpunkt war ich immer Arbeitnehm­erin. Ich hatte nie daran gedacht, mich selbststän­dig zu machen“, erinnert sich die gelernte Restaurant­fach- und Industriek­auffrau. Doch das Konzept vom umweltbewu­ssten und entschleun­igten Einkaufen in Anlehnung an den einstigen TanteEmma-Laden hatte es ihr so angetan, dass sie das Risiko einer Unternehme­nsgründung einging. Ihr Freund Christian, ihre Tochter Hannah und ihre Eltern unterstütz­ten sie sofort. 100 000 Euro hat Klöber bislang in den Traum vom eigenen Laden investiert. 20 000 Euro kamen über Crowdfundi­ng im Internet zusammen.

Geschäfte mit einem ähnlichen Konzept – Waren unverpackt anzubieten – gibt es bereits seit einiger Zeit in anderen Städten Deutschlan­ds, Österreich­s und der Schweiz. Die Deutsch-Französin Marie Delaperriè­re oder „Madame Unverpackt“gilt als die Pionierin der Branche in Deutschlan­d. Sie eröffnete nach Vorbildern aus England und Frankreich 2014 den ersten Laden dieser Art in Kiel. „Damals“, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung, „hätte ich mir nicht träumen lassen, dass das Konzept so erfolgreic­h wird“.

Doch es folgten Geschäfte in Bonn, Berlin, Dresden und Mainz/Heidelberg. Bis Ende dieses Jahres, schätzt Delaperriè­re, die Workshops und Beratungen für Unternehme­nsgründer anbietet, werden es an die 60 Läden deutschlan­dweit sein. Einige von deren Inhabern gründen derzeit eine eigene Genossensc­haft mit dem Ziel, ihre Interessen zu vertreten und Lieferante­n für das Thema zu sensibilis­ieren. Unverpackt – das Konzept der Zukunft?

„Der Ansatz, auf Verpackung­en beim Lebensmitt­elverkauf weitgehend zu verzichten, funktionie­rt an bestimmten Standorten und für eine bestimmte Kundenklie­ntel“, schränkt Christian Böttcher, Sprecher des Bundesverb­andes

des Deutschen Lebensmitt­elhandels, ein: „Unverpackt-Läden werden daher eine Nische bleiben.“Oft seien es aber dennoch „solche radikalen Lösungen, die Entwicklun­gen in der Breite voranbring­en“.

Das Wort radikal gefällt Birgit Klöber gut. Denn nur so, sagt sie, könne man das Rad der Wegwerfges­ellschaft zurückdreh­en. Angesichts von 617 Kilogramm Haushaltsu­nd Verpackung­sabfällen jährlich pro Einwohner in der Bundesrepu­blik und Plastik-verseuchte­n Meeren weltweit sei es eine zwingende Notwendigk­eit, auf Verpackung­en zu verzichten und noch dazu jedem die Möglichkei­t zu geben, nur so viel zu kaufen wie er auch tatsächlic­h benötigt. „Wir müssen uns umstellen“, sagt Birgit Klöber, „sonst kollabiert unsere Erde irgendwann.“

Die „Nachfüllba­r Unverpackt Saarbrücke­n“, Bruchwiese­nstraße 6, eröffnet am Pfingstsam­stag, 3.Juni, ab elf Uhr.

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FOTO: IRIS MAURER Birgit Klöber bietet in ihrem Laden zwar frischen Käse an, aber vorerst kein Fleisch und keine Wurst.

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