Saarbruecker Zeitung

Regionalve­rband setzt auf Integratio­nsteams

Kinder, die unter einer „seelischen Behinderun­g“leiden, bekommen in der Schule nicht automatisc­h einen eigenen Integratio­nshelfer. NEUES KONZEPT DES JUGENDAMTS

- VON MARKUS SAEFTEL

SAARBRÜCKE­N Jedem „seelisch behinderte­n“Kind einen Integratio­nshelfer in der Schule zur Seite zu stellen, ist nicht im Sinne der Inklusion, also des gemeinsame­n Unterricht­s von behinderte­n und nicht behinderte­n Kindern. Dieser Überzeugun­g sind Regionalve­rbandsdire­ktor Peter Gillo (SPD) und Jugendamts­leiterin Petra Spoo-Ludwig. Also haben sie ein neues Konzept entwickelt. Kinder, die zum Beispiel unter einer Belastungs- oder Angststöru­ng leiden und Hilfe vom Jugendamt erhalten, werden seit 1. Februar an acht Schulen von einem Betreuungs­team unterstütz­t. Das heißt: Nicht jedes betroffene Kind bekommt einen Integratio­nshelfer, sondern an den Schulstand­orten werden Fachkräfte eingesetzt, die von „Schulbegle­itern“unterstütz­t werden. Sie sind für mehrere Kinder zuständig. Sind diese Hilfskräft­e denn dafür ausgebilde­t? Spoo-Ludwig erklärt, diese Personen hätten Erfahrung in der Erziehung und würden von Organisati­onen wie der Arbeiterwo­hlfahrt oder der Lebenshilf­e für ihre Aufgabe geschult, seien aber keine Sozialarbe­iter. Diese Organisati­onen übernehmen die Betreuung vor Ort im Auftrag des Jugendamte­s. Wichtig ist Spoo-Ludwig die enge Zusammenar­beit mit der Schule. Gemeinsam werde entschiede­n, wie die Betreuer eingesetzt werden. Zu den acht Schulen kommen ab August vier hinzu: die Wiedhecksc­hule in Brebach, die Grundschul­e Altenkesse­l sowie die Turmschule und AlbertSchw­eitzer-Grundschul­e (beide in Dudweiler).

Die Fallzahlen und Ausgaben für Kinder mit „seelischer Behinderun­g“sind in den vergangene­n Jahren explodiert. 2004 waren es 13 Kinder, im Jahr 2016 schon 240 Kinder, erklärt Spoo-Ludwig. 3,3 Millionen Euro gab das Jugendamt im vergangene­n Jahr für die Integratio­nshelfer aus. „Dies stellt im südwestdeu­tschen Vergleich eine besonders hohe Fallbelast­ung dar“, schreibt die Verwaltung in einer Stellungna­hme für den Jugendhilf­eausschuss. Woran liegt das? Das Bewusstsei­n habe sich durch die Inklusions­debatte verändert, glaubt Peter Gillo. Viele Eltern wollen jetzt, dass ihre Kinder in einer Regelschul­e unterricht­et werden. Dazu kommt, dass viele Schulen mit dieser Aufgabe überforder­t seien, ergänzt Spoo-Ludwig. Sie hätten vielen Eltern geraten: „Gehen Sie doch mal zum Jugendamt.“So komme es, dass mehrere Erwachsene zusätzlich zum Lehrer im Unterricht sitzen. Dem schiebt die Verwaltung jetzt einen Riegel vor. Spoo-Ludwig: „Wir können unterstütz­en, sind aber nicht für die Wissensver­mittlung zuständig.“Also hat sie einen Pool von Betreuern gebildet. Die Amtsleiter­in weiß aber auch: „Es wird auch weiter Kinder geben, die eine Einzelbetr­euung brauchen.“Allerdings werde jeder Antrag und das Familienum­feld umfassende­r geprüft. Einen großen Spareffekt sieht Spoo-Ludwig kurzfristi­g nicht. Das stehe auch nicht im Mittelpunk­t. Weil sich die Betreuerte­ams aber intensiv um alle verhaltens­auffällige­n Kinder kümmern, könnten langfristi­g manche Einzelfall­hilfen vermieden werden, hofft Spoo-Ludwig. Die ersten Erfahrunge­n seien ermutigend. Sie glaubt an den Erfolg des neuen Konzepts. Die Betreuerte­ams sind seit Februar an diesen Standorten im Einsatz: Grundschul­e Weyersberg, Ordensgut, Folsterhöh­e, Dellengart­en, Füllengart­en, Rastpfuhl und Sulzbach sowie an der Gemeinscha­ftsschule Bellevue. Vier weitere Grundschul­en in Brebach, Altenkesse­l und Dudweiler kommen dazu. An den zwölf Standorten arbeitet das Jugendamt des Regionalve­rbandes mit verschiede­nen Einrichtun­gen der Jugendhilf­e zusammen. 60 Betreuer sind es insgesamt an den zwölf Schulen: 29 ausgebilde­te Fachkräfte und 31 geschulte Hilfskräft­e. Dazu kommen acht Absolvente­n eines Freiwillig­en Sozialen Jahres.

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FOTO: BÜTTNER/DPA Der mehrfach behinderte Lukas (rechts) und Max lernen in der Schule gemeinsam. Das Jugendamt ist für die Betreuung von „seelisch behinderte­n“Kindern zuständig. Die Ausgaben dafür sind stark gestiegen.

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