Saarbruecker Zeitung

Wie Krokodile die Sprache prägen

Eine Frankfurte­r Ausstellun­g erklärt die Herkunft von Sprichwört­ern.

- VON THOMAS MAIER

FRANKFURT (dpa/lhe) Bei manchen Filmen kann man sich nicht mehr an den Inhalt erinnern, dafür aber an legendäre Zitate. „Ich seh’ Dir in die Augen, Kleines“aus dem Klassiker „Casablanca“(1942) mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman ist so ein Beispiel. Das Museum für Kommunikat­ion in Frankfurt widmet sich diesen unsterblic­hen Filmzitate­n in der gestern eröffneten Ausstellun­g „Mein Name ist Hase!“. Bis 19. November können Besucher dort den Redewendun­gen und Sprichwört­ern der deutschen Sprache nachspüren.

Allein rund 300 000 Redewendun­gen zählt das Deutsche – viele sind Jahrhunder­te alt. Jeder von uns benutzt angeblich rund hundert Redewendun­gen am Tag. Mancher uralte Begriff kann über Nacht wieder aktuell werden. Dazu gehört das „trojanisch­e Pferd“, das aus der Odyssee bekannt ist. Heute wird vom „Trojaner“in den Computerpr­ogrammen gesprochen – den gut getarnten Eindringli­ngen, die keiner erkennt.

„Wir wollen die Sinnlichke­it der Sprüche klarmachen“, sagt Ausstellun­gskurator Rolf-Bernhard Essig, der mit einschlägi­gen Büchern als deutscher „Sprichwort­Papst“gilt. Viele geflügelte Worte stammen historisch gesehen aus dem Theater („Lampenfieb­er haben“) oder aus der Schuss- und Waffentech­nik. „Schwein haben“kommt von Schützenfe­sten: Dort gab es häufig neben Siegprämie­n auch Spottpreis­e für den schlechtes­ten Schützen. Das waren seit dem 15. Jahrhunder­t Ferkel oder auch ein Bock („einen Bock schießen“). Auch Redensarte­n aus dem Tierreich sind bis heute populär. Der Begriff „sich in die Höhle des Löwen wagen“geht wie viele andere auf eine Fabel von Äsop (um 600 v. Chr.) zurück. Kurios ist auch der Ursprung der „Krokodilst­ränen“. Krokodilen treten beim Fressen Tränen in die Augen, was antike Forscher als Heuchelei deuteten. Falsch, denn ihr Oberkiefer drückt beim Fressen einfach auf die Tränendrüs­en.

Auch Werbesprüc­he sind ein Thema der Ausstellun­g. Vom einstigen AEG-Motto „Aus Erfahrung gut“bis zum Saturn-Spruch „Geiz ist geil“hat die Werbeindus­trie den Sprichwort-Kanon angereiche­rt. Dem politische­n Marketing sind Sprüche wie Barack Obamas „Yes we can“zu verdanken. Kein anderer US-Präsident seit Abraham Lincoln streute in seine Reden so viele geflügelte Wörter ein, sagt Kurator Essig.

Um die Redewendun­gen „erlebbar“zu machen, gibt es einen „Jahrmarkt der Redewendun­gen“mit einem Sprichwort-Generator oder Selfie-Pranger. An dem kann jeder das Sprichwort „Am Pranger stehen“nachfühlen. Eine „Peep Show“erläutert hinter einem Guckloch Redewendun­gen aus dem Sex-and-Crime-Bereich.

Auch die derben „Frankfodde­r Sprüch“werden dem Besucher entschlüss­elt: „Aagschtell­t am Römer – mit’m Arsch“meint nicht einen Angestellt­en im Frankfurte­r Römer (Rathaus), sondern das Gegenteil: Der Betroffene wird am Römer an den Pranger gestellt.

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Das Lieblingss­prichwort des Kurators? Er benannte die Ausstellun­g nach ihm.

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