Saarbruecker Zeitung

Es bleibt politisch auf dem Kirchentag

Auf dem evangelisc­hen Glaubenstr­effen in Berlin geben sich nach Obama auch weitere Politiker die Ehre. Und es wird weiter hart diskutiert.

- VON JOACHIM HEINZ rechtferti­gte deutsche Militär-Einsätze

BERLIN (kna/dpa/epd) Kritiker hatten vorgewarnt. Was, so lautete die Frage, könne nach dem gemeinsame­n Auftritt von Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag beim Evangelisc­hen Kirchentag noch kommen? Rund 70 000 Menschen hatten sich zwischen Brandenbur­ger Tor und Siegessäul­e versammelt. Da machte sich bei manch einem Verantwort­lichen die Sorge breit, ob der Abschlussg­ottesdiens­t in Wittenberg am Sonntag das Kirchenvol­k in ähnlicher Masse mobilisier­en würde.

Zur Halbzeit zog der Kirchentag am Freitag jedenfalls eine positive Bilanz. Über die gut 106 000 Dauergäste hinaus seien bereits 30 000 Tageskarte­n verkauft worden, teilten die Organisato­ren mit.

Ein wenig Finalstimm­ung lag aber zur Halbzeit ebenfalls schon in der Luft. Erstens, weil die Popgruppe Wise Guys vor 55 000 Zuhörern ihren musikalisc­hen Ausstand gab. Zweitens, weil schon kurz nach Obama die ersten Fußballfan­s in der Hauptstadt auftauchte­n – wegen des DFB-Pokalfinal­es zwischen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt an diesem Samstagabe­nd. Ein weiterer Großeinsat­z für die Polizei, die ohnehin schon alle Hände voll zu tun hat. Denn auch das prägt diesen Kirchentag: die Angst vor möglichem Terror.

Besonders greifbar wurde das bei einem Gottesdien­st auf dem Breitschei­dplatz, wo der Islamist Anis Amri im Dezember vergangene­n Jahres mit einem Lkw in einen Weihnachts­markt gerast war und zwölf Menschen tötete. Eine Fürbitte galt den Opfern des Selbstmord­attentats von Manchester. Nahezu zeitgleich machte die Nachricht von einer islamistis­chen Attacke auf einen Bus mit koptischen Christen in Ägypten die Runde. Ein sichtlich bewegter Bundesinne­nminister Thomas de Maiziere (CDU) überbracht­e die Meldung – während er auf einem Podium mit dem Großscheic­h der Kairoer al-Azhar-Universitä­t, Ahmad Al-Tayyeb, über Frieden diskutiere­n wollte.

Die große Politik – sie blieb auch nach dem Auftritt Obama/Merkel präsent auf dem Kirchentag. SPDKanzler­kandidat Martin Schulz übte etwa scharfe Kritik an den jüngsten Ausfällen des US-Präsidente­n Donald Trump gegen die Bundesregi­erung. Einen Eklat gab es bei einem „Bittgottes­dienst für den Frieden“. Lautstark störten junge Aktivistin­nen die Dialogpred­igt von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) und Militärpfa­rrer Sigurd Rink. Von der Leyen suchte den Dialog mit den Demonstran­tinnen, die sich gegen eine „Verstricku­ng der evangelisc­hen Kirche mit der Bundeswehr“richteten. Sie sei sich bewusst, dass durch Militärein­sätze

„Wir können uns durch Handeln ebenso schuldig machen wie durch

Nicht-Handeln.“

Ursula von der Leyen allein kein Frieden geschaffen werden könne, sagte sie: „Aber wir können uns durch Handeln ebenso schuldig machen wie durch Nicht-Handeln.“Politisch ging es auch bei der Diskussion zwischen dem Berliner Bischof Markus Dröge und Anette Schultner von den „Christen in der AfD“zu. „Es steht kein christlich­es Menschenbi­ld im Parteiprog­ramm der AfD“, sagte Dröge.

Für viel Beifall sorgte der Auftritt des obersten deutschen Katholiken: Der Münchner Kardinal Reinhard Marx bekräftigt­e 500 Jahre nach Beginn der Reformatio­n den Willen zur ökumenisch­en Annäherung der beiden Kirchen in Deutschlan­d. „Wollen wir zusammenge­hen? Wir wollen es!“, sagte Marx bei einer Begegnung mit dem EKD-Ratsvorsit­zenden Heinrich Bedford-Strohm.

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