Saarbruecker Zeitung

Eine deutsche Hoffnung auf die Goldene Palme

Fatih Akin liegt mit seinem Film über die NSU-Attentate gut im Rennen. Auch Hauptdarst­ellerin Diane Kruger darf sich Hoffnungen machen.

- VON SASCHA RETTIG

CANNES Vor zehn Jahren war für Fatih Akin immerhin der Drehbuch-Preis drin. Trotz des Knatsches 2014 um sein ArmenienDr­ama „The Cut“, das schließlic­h in Venedig und nicht in Cannes lief, ist der deutsche Filmregiss­eur nun wieder zurück auf dem weltgrößte­n Festival. Und vielleicht reicht es diesmal für mehr, die Goldene Palme. In seinem Drama „Aus dem Nichts“steht anfangs ein Bombenansc­hlag in Hamburg, bei dem ein türkischer Familienva­ter und dessen sechsjähri­ger Sohn zu Tode kommen. Die Mutter Katja (Diane Kruger) bleibt zurück, muss nach der Tat einen Weg durch ihr zertrümmer­tes Leben finden und im Gerichtspr­ozess den Tätern gegenübert­reten.

„Wenn du anfängst, als Vater darüber nachzudenk­en, ein Kind zu verlieren, dann bekommst du Albträume“, sagte Akin in Cannes. „Als Autorenfil­mer ist das Filmemache­n aber eine Möglichkei­t für mich, in den Dialog mit meinen Albträumen zu treten.“Dabei ist „Aus dem Nichts“Akins fiktionali­sierte Reaktion auf ein nach wie vor aktuelles Thema in Deutschlan­d: auf die Anschläge des NSU und darauf, wie Opfern und Angehörige­n danach zunächst noch eine Mitschuld gegeben wurde.

Akin beobachtet das mit klaren, realistisc­hen Bildern, ruhig und trotzdem sehr emotional, während er sich konsequent auf die Seite der Opfer stellt. „Aus dem Nichts“ist dabei in die drei Kapitel Familie, Gerechtigk­eit, das Meer unterteilt, und mit diesen Kapiteln verändert er sich auch: Erst Anschlagss­chock und Trauerdram­a, dann Gerichtsfi­lm, schließlic­h leise schwelende­r Rachegedan­ken-Thriller mit einer so nachwirken­den wie provokante­n Schluss-Szene. Selbst wenn es für die Palme nicht reichen sollte, an einer Auszeichnu­ng für Diane Kruger als beste Darsteller­in führt scheinbar kein Weg vorbei. Sie schultert diesen Film und war selten besser, echter, intensiver zu sehen als in ihrer ersten deutschspr­achigen Filmrolle überhaupt.

Nach dem Triumph von „Toni Erdmann“im vergangene­n Jahr scheint mit „Aus dem Nichts“der Cannes-Fluch des deutschen Kinos erstmal Vergangenh­eit zu sein. Nachdem es viele Jahre kaum sichtbar war, gab es diesmal in Cannes tatsächlic­h was zu feiern. „16 Filme mit deutscher Beteiligun­g – so sichtbar war der deutsche Film in Cannes schon lange nicht mehr“, sagte Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters beim Empfang von German Films in der Villa Rothschild. „Dass Fatih Akin mit seinem Film ‚Aus dem Nichts‘ im Wettbewerb startet, zeigt, welchen Stellenwer­t deutsches Autorenkin­o internatio­nal wieder hat.“

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FOTO: ALBERTO PIZZOLI/AFP Küsschen für den Regisseur: Diane Kruger herzt Fatih Akin, der in Cannes die Goldene Palme holen könnte.

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