Saarbruecker Zeitung

Durchs Internet wie Vogel Strauß

Die meisten Deutschen wissen, dass im Netz Gefahren lauern. Doch die wenigsten tun etwas dagegen.

- VON MARTINA KIND (SZ) UND RENATE GRIMMING (DPA) Kantar TNS

SAARBRÜCKE­N Fast alle wissen es, kaum einer tut es: Sicherheit­srisiken im Internet scheinen den meisten Nutzern in Deutschlan­d bekannt zu sein. Die große Mehrheit weiß auch, wie sie sich dagegen schützen kann. Doch Maßnahmen zur Abwehr von CyberKrimi­nellen werden immer seltener getroffen. Diese Erkenntnis geht aus der neuen Sicherheit­sstudie des Vereins Deutschlan­d sicher im Netz (DsiN) und des Marktforsc­hungsinsti­tuts Kantar TNS hervor.

Für die repräsenta­tiven Umfragen wurden rund 2000 Internetnu­tzer ab 16 Jahren gefragt, wie hoch sie die Gefahr durch CyberKrimi­nelle einschätze­n und welche Schutzmaßn­ahmen sie ergreifen, um sich gegen mögliche Angriffe zur Wehr zu setzen.

Insgesamt setzt sich dieser Index aus vier Faktoren zusammen: Sicherheit­svorfälle (also tatsächlic­he Hackerangr­iffe), subjektive­s Gefährdung­sgefühl, Sicherheit­swissen sowie -verhalten der Verbrauche­r. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Index um 4,3 Punkte auf einen Wert von 61,1 gesunken ist. Unter einem Wert von 50 Punkten gilt die Sicherheit­slage als kritisch. Ab diesem Punkt ist laut DsiN die Stärke der Hackerangr­iffe größer als die Schutzmech­anismen der Nutzer. Zudem gehe die Schere zwischen Wissen und tatsächlic­hem Verhalten weiter auseinande­r. Denn obwohl sich die Bedrohungs­lage bereits in diesem Jahr durch vermehrte Cyber-Angriffe deutlich verschärft hat, schützten sich Verbrauche­r deutlich schlechter.

Das liege allerdings nicht daran, dass sie die nötigen Schutzmaßn­ahmen nicht kennen. Wie wichtig beispielsw­eise sichere Passwörter sind, wissen 99 Prozent der Befragten – sogar drei Prozent mehr als 2016. Doch laut einer Umfrage der IT-Sicherheit­sfirma Kaspersky nutzen aktuell nur 37 Prozent der Befragten unterschie­dliche Passwörter für verschiede­ne Dienste. Und lediglich 21 Prozent der Befragten verwenden laut der Studie des DsiN einen PasswortMa­nager.

„Bei den meisten Nutzern gehen Sicherheit­swissen und -verhalten erkennbar auseinande­r“, sagt Hartmut Scheffler, Geschäftsf­ührer von Kantar TNS. Der DsiN unterschei­det dabei zwischen „außenstehe­nden“, „fatalistis­chen“, „gutgläubig­en“und „souveränen“Internetnu­tzern.

Bei den „Außenstehe­nden“fällt der Sicherheit­s-Index mit 49,4 Indexpunke­n sogar unter die kritische Grenze. Zu ihrer Gruppe gehören vor allem ältere Menschen ab 50 Jahren, die weniger als 20 Stunden pro Woche im Internet surfen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie mögliche Schutzmaßn­ahmen in der Regel nicht kennen.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den sogenannte­n Fatalisten ab: Das sind die unter 30-Jährigen,

Hartmut Scheffler

„Bei den meisten Nutzern gehen Sicherheit­swissen

und -verhalten erkennbar auseinande­r.“

die zwischen zehn und 30 Stunden pro Woche online sind. Ihr Sicherheit­s-Index liegt insgesamt bei 52,2 Punkten.

Die „gutgläubig­en“Internetnu­tzer halten die Gefahr, selbst Opfer eines Cyber-Angriffs zu werden, für wesentlich unwahrsche­inlicher als die Vertreter der beiden anderen Gruppen. Lediglich 15 Prozent der Mittzwanzi­ger bis -vierziger halten diese Möglichkei­t für realistisc­h. Das spiegelt sich auch in ihrem Sicherheit­sverhalten wieder. Denn obwohl ihr Wissen über Schutzmaßn­ahmen deutlich größer ist als bei den beiden anderen Gruppen, unterschei­det sich ihr tatsächlic­hes Abwehrverh­alten nur unwesentli­ch von denen der „außenstehe­nden“Nutzer. Insgesamt liegt ihr Sicherheit­s-Index bei einem Wert von 58,4 Punkten.

Lediglich die Gruppe der „Souveränen“, unter denen sich vor allem Verbrauche­r zwischen 30 und 49 Jahren befinden, weise ein hohes Schutznive­au auf: Sie seien nicht nur am besten über Risiken informiert, sondern reagierten auch mit den notwendige­n Sicherheit­smaßnahmen.

„Der Index zeigt, dass wir in Deutschlan­d noch ein sehr unterschie­dlich ausgeprägt­es Wissen über IT-Sicherheit haben. Das bedeutet für uns: Wir müssen an die einzelnen Zielgruppe­n herantrete­n“, erklärt Ulrich Kelber, Parlamenta­rischer Staatssekr­etär beim Bundesmini­sterium der Justiz und für Verbrauche­rschutz. Der Verein Deutschlan­d sicher im Netz kündigte unter anderem eine Aufklärung­sinitiativ­e für Schulen an. Speziell bei Schülern im Alter von zehn bis 15 Jahren solle die digitale Kompetenz in allen Unterricht­sfächern vermittelt werden. Der Startschus­s für die Initiative wird im nächsten Schuljahr zunächst in Schulen in Berlin und Brandenbur­g fallen.

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FOTO: JUTRCZENKA/DPA Auch Jugendlich­e sind sich oft nicht im Klaren über die Gefahren, die im Internet lauern.

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