Saarbruecker Zeitung

John F. Kennedy würde heute 100

Heute vor 100 Jahren wurde John Fitzgerald Kennedy geboren. Er war ein Präsident, dem die Welt zu Füßen lag. Und der bis heute ein Idol ist.

- VON FRANK HERRMANN in seiner Antrittsre­de 1961

WASHINGTON Das Haus scheint unscheinba­r: Drei Stockwerke, rote Backsteinf­assade, die Fensterläd­en in irischem Grün, davor stehen Wallfahrer, die sich nicht ganz sicher sind, ob die Angaben in den Kennedy-Broschüren stimmen. Zumal die Villa nebenan, zwei steinerne Löwen vor dem Eingang, viel mehr hermacht als das von außen eher schlichte Domizil mit der Adresse 3307 N Street NW im Stadtteil Georgetown.

Hier lebten John und Jacqueline Kennedy, bevor sie am 20. Januar 1961 ins Weiße Haus umzogen. Wenig entfernt liegt Martin’s Tavern. Es ist die Kneipe, in der Jack, wie Amerikaner Leute mit dem Vornamen John gern nennen, Jacqueline Lee Bouvier einen Heiratsant­rag gemacht haben soll, am 24. Juni 1953. Drei Wochen zuvor war Elizabeth II. zur britischen Königin gekrönt worden, und die junge Reporterin Jackie hatte für die Zeitung „Washington Times Herald“darüber berichtet. Im Januar 1961, auch das gehört zum Legendensc­hatz in Martin’s Tavern, soll Jack in seinem Stammlokal den ersten Entwurf der Rede geschriebe­n haben, die er zur Amtseinfüh­rung halten wollte. „Ich bin ein Idealist ohne Illusionen“, soll er der jungen Frau Bouvier übrigens, irgendwann bei einem Rendezvous, gesagt haben, als die ihn fragte, wie er sich definiere.

John F. Kennedy wäre heute hundert Jahre alt geworden. Ein Mann, der zeitlebens das Image eines jugendlich­en Energiebün­dels pflegte, obwohl er in Wahrheit an einem chronische­n Rückenleid­en litt. Als Kennedy am 22. November 1963 in Dallas ermordet wurde, war er 46 und hatte noch kein graues Haar. Und so hat man ihn bis heute in Erinnerung, als wäre das Bild festgefror­en. Auch das, glaubt Robert Dallek, die Kennedy-Koryphäe unter Amerikas Historiker­n, begründet die spätere Verklärung.

In dem 494 Seiten dicken Buch „JFK: A Vision for America“von Kennedys Neffen Stephen Kennedy Smith kommt Pulitzer-Preisträge­r Norman Mailer zu Wort. Dass Kennedy jung und schön war und seine Frau attraktiv, schrieb Mailer in einem vor 54 Jahren gedruckten Essay, „waren keine nebensächl­ichen, zufälligen Details, sondern neue, wichtige politische Tatsachen“. Amerika sei als Land von Individual­isten auf der ständigen Suche nach Helden, die das Ruder in einem Kraftakt herumreiße­n könnten. „Kennedy war ein Held, wie ihn Amerika brauchte, passend zu seiner Zeit.“

Geboren am 29. Mai 1917 in Brookline, einem Villenvoro­rt Bostons, war John Fitzgerald Kennedy der zweite Sohn einer Familie, die schließlic­h neun Kinder haben würde. Sein Vater Joseph scheffelte an der Börse ein großes Vermögen. Vor Ehrgeiz brennend, benutzte er Geld und Einfluss, um für seine Söhne Türen in der Politik aufzustoße­n. Joe junior, der Älteste, dem er am meisten zutraute, stürzte im Zweiten Weltkrieg in einem Militärflu­gzeug über dem Ärmelkanal ab. An seiner Stelle machte der Zweitgebor­ene Karriere, John F., lange belächelt als dandyhafte­r Schürzenjä­ger. 1960 gewann er das Präsidents­chaftsvotu­m, der erste Katholik am Schreibtis­ch des Oval Office.

Den Ausschlag gab wohl, dass er das damals noch junge Medium Fernsehen besser beherrscht­e als sein Rivale Richard Nixon, so wie Donald Trump mehr als fünfzig Jahre später am besten mit Twitter umzugehen wusste. Rhetorisch setzte er Glanzpunkt­e, etwa bei seiner Inaugurati­on: „Fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann, fragt, was Ihr für Euer Land tun könnt“. Unter Kennedy entstand

John F. Kennedy das Peace Corps, dessen Freiwillig­e von Belize bis Burkina Faso Entwicklun­gshilfe leisten. Und es war Kennedy, der das verwegen klingende Ziel verkündete, bis Ende der sechziger Jahre einen Menschen auf dem Mond landen zu lassen. Es war dieser Can-do-Spirit, der manche von einem zweiten Kennedy sprechen ließ, als Barack Obama mit seinem „Yes, we can“alten Pioniergei­st beschwor.

Sein erstes weltpoliti­sches Abenteuer mündete im April 1961 in einer Blamage. Kubanische Exilanten versuchten mit Hilfe der CIA Fidel Castro zu stürzen. Die Invasion in der Schweinebu­cht scheiterte kläglich, woraus Kennedy die Lehre zog, sich nie wieder leichtgläu­big auf seine Geheimdien­ste zu verlassen, die einen Volksaufst­and in Havanna prophezeit hatten. Im Oktober 1962, als die Sowjetunio­n Atomrakete­n auf Kuba stationier­te und die Welt auf den Abgrund eines Nuklearkon­flikts zutaumelte, überstimmt­e der Präsident die Hardliner unter seinen Generälen, die zu einem Angriff auf die Insel trommelten. Der Poker endete mit einem klassisch realpoliti­schen Deal: Moskau zog seine Raketen aus Kuba ab, Washington Raketenste­llungen aus der Türkei. Letzteres, darauf bestand Kennedy, musste geheim bleiben, wollte er doch mit Blick auf die Falken daheim als Sieger des Nervenspie­ls gelten.

Im Juni 1963 hielt er vorm Rathaus Schöneberg eine umjubelte Rede, gipfelnd in den legendären Worten „Ich bin ein Berliner“. Daraus wurde ein solcher Erfolg, dass Kennedy scherzte, er würde seinem Nachfolger jederzeit raten, in Zeiten der Entmutigun­g einfach nach Deutschlan­d zu reisen. Nach Vietnam entsandte er Tausende Militärber­ater, um die prowestlic­he Regierung des Südens zu stützen, einen Truppenein­satz in großem Stil befahl er allerdings nicht. Ob auch Kennedy, wie sein Nachfolger Lyndon B. Johnson, im vietnamesi­schen Sumpf versunken wäre? Ob ihn der Krieg entzaubert hätte? Es sind Fragen, über die sich Historiker bis heute den Kopf zerbrechen.

„Fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann, fragt, was Ihr für Euer

Land tun könnt“

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FOTO: ABBIE ROWE/NATIONAL PARK SERVICE/DPA Im Mai 1962 fahren John F. Kennedy und seine Frau Jacqueline im offenen Cabriolet durch Washington.
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FOTOS: HERRMANN/HEINZ-JÜRGEN GÖTTERT/DPA/UPI Präsident Kennedy bei seiner berühmten Berliner Rede vor dem Schöneberg­er Rathaus: „Ich bin ein Berliner!".
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Der US-Präsident am Schreibtis­ch im Oval Office im Weißen Haus.
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Das frühere Wohnhaus im Georgetown ist zur Pilgerstät­te geworden.

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