Rechtsstreit zwang Stadt zu neuen Regeln für Stellplätze
Die Stadt geriet im Rechtsstreit um ein Bauvorhaben unter Zugzwang. Sie musste eine juristisch brauchbare Richtlinie zur Zahl der Stellplätze hinkriegen. Das dauerte neun Jahre. STELLPLATZNACHWEIS
SAARBRÜCKEN Wer ein neues Gebäude oder auch „sonstige Anlagen“wie etwa Sportplätze errichtet, ist durch die Landesbauordnung verpflichtet, auf dem Grundstück oder in „zumutbarer Entfernung“auch eine „ausreichende“Anzahl von Auto-Stellplätzen zu schaffen.
Sinn dieser Vorschrift ist es, den öffentlichen (Park-)Raum mit den zu erwartenden Kraftfahrzeugen der ständigen Benutzer oder auch Besucher des Gebäudes nicht zusätzlich zu belasten.
Auch welche Anzahl an Stellplätzen „ausreichend“ist, wird behördlich vorgeschrieben. Die Zahl bemisst sich unter anderem nach Größe, Nutzung, aber auch Lage der baulichen oder sonstigen Anlage. Waren auch diese Details früher im sogenannten „Garagenerlass“auf Landesebene geregelt, so hat die Stadt Saarbrücken inzwischen eine eigene Stellplatzrichtlinie erarbeitet. „Wir wenden sie auch bereits an“, sagte der Amtsleiter der Unteren Bau-Aufsicht (UBA), Sergey Shalayev, kürzlich den Stadtverordneten im Saarbrücker Bauausschuss. Sie wollten von Shalayev wissen, was es mit der neuen Richtlinie, die sie noch nicht kannten, auf sich hat.
Die neue Richtlinie, mit der sich der Bauausschuss noch ein weiteres Mal intensiver befassen will, weist gegenüber dem alten Garagenerlass von 1976 laut Shalayev etliche Neuerungen auf. So schreibe sie erstmals vor, dass nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern auch für Fahrräder Stellplätze geschaffen werden müssen.
Der alte Garagenerlass habe außerdem bei der Bemessung der Kfz-Stellplätze nicht die Anbindung an den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) berücksichtigt. „Obwohl die Landesbauordnung das ausdrücklich vorschreibt“, wie der Amtsleiter betont. Die neue Richtlinie gewährt dagegen einen „ÖPNV-Bonus“.
Die Verwaltung hat laut Shalayev zwei Zonen definiert, in der sich aufgrund der guten ÖPNV-Erschließung die Zahl der notwendigen Kfz-Stellplätze verringert. Auch die Reisezeit zum Hauptbahnhof hat man dabei berücksichtigt. Zone eins führt entlang der Saarbahnachse. Der 7-Minuten-Takt der Saarbahn bewirkt dort einen Abschlag von 30 Prozent. Zone zwei umreißt zwei lang gestreckte Gebiete, die „eine hochverdichtete Bus-Taktung“aufweisen. Die eine Achse reicht von der Heuduckstraße bis zum Rotenbühl, die andere von der Universität bis zur Bundesstraße 51 Richtung Burbach. In Zone 2 gewährt die Richtlinie eine pauschale Verringerung der Kfz-Stellplätze um 20 Prozent.
Doch warum hat die Stadt Saarbrücken überhaupt eine eigene Stellplatzrichtlinie erarbeitet? Wie Shalayev erklärte, geschah das nicht aus freien Stücken. Vielmehr sei sie dazu genötigt gewesen. Denn das Land habe den Garagenerlass als einheitliche Grundlage für alle Bauaufsichtsbehörden irgendwann leider aufgehoben. „Niemand weiß, warum“, sagte der UBA-Chef.
Die Verwaltungen hätten sich zunächst beholfen, indem sie die alten Richtzahlen auch ohne rechtliche Grundlage weiter anwendeten. Als die Stadt dann aber beim Bauvorhaben Walters Eck in
einen Rechtsstreit um die Stellplatzpflicht geriet, habe sie sich als Teil der Einigung verpflichten müssen, eine neue Richtlinie aufzustellen, sagte Shalayev.
Schon seit 2008 erarbeitete die Verwaltung demnach ämterübergreifend die Richtlinie. Man habe die Bestimmungen in allen Bundesländern ausgewertet und aus deren Erfahrungen sowie denen der eigenen Verwaltung den neuen Katalog erstellt. Da es nicht zulässig sei, eine Satzung für das gesamte Stadtgebiet zu erlassen, sei nur eine Richtlinie in Frage gekommen. Als Verwaltungsvorschrift habe sie nur interne Bedeutung, erläuterte der UBAChef. In der Verwaltungspraxis habe man Ermessensspielraum und sei berechtigt, die Richtzahlen für die Stellplätze zu ändern und dem Bedarf anzupassen. Die Möglichkeit, sich mit einer Ablösepauschale aus der Stellplatzverpflichtung „freizukaufen“, könne nur unter erschwerten Bedingungen in Anspruch genommen werden, erklärte Shalayev auf Nachfrage im Bauausschuss.
In über 90 Prozent der Fälle werde das Problem durch Schaffung von Stellplätzen auf einem anderen Grundstück oder auch durch die Anmietung von Stellplätzen in Parkhäusern gelöst.