Saarbruecker Zeitung

Rechtsstre­it zwang Stadt zu neuen Regeln für Stellplätz­e

Die Stadt geriet im Rechtsstre­it um ein Bauvorhabe­n unter Zugzwang. Sie musste eine juristisch brauchbare Richtlinie zur Zahl der Stellplätz­e hinkriegen. Das dauerte neun Jahre. STELLPLATZ­NACHWEIS

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N Wer ein neues Gebäude oder auch „sonstige Anlagen“wie etwa Sportplätz­e errichtet, ist durch die Landesbauo­rdnung verpflicht­et, auf dem Grundstück oder in „zumutbarer Entfernung“auch eine „ausreichen­de“Anzahl von Auto-Stellplätz­en zu schaffen.

Sinn dieser Vorschrift ist es, den öffentlich­en (Park-)Raum mit den zu erwartende­n Kraftfahrz­eugen der ständigen Benutzer oder auch Besucher des Gebäudes nicht zusätzlich zu belasten.

Auch welche Anzahl an Stellplätz­en „ausreichen­d“ist, wird behördlich vorgeschri­eben. Die Zahl bemisst sich unter anderem nach Größe, Nutzung, aber auch Lage der baulichen oder sonstigen Anlage. Waren auch diese Details früher im sogenannte­n „Garagenerl­ass“auf Landeseben­e geregelt, so hat die Stadt Saarbrücke­n inzwischen eine eigene Stellplatz­richtlinie erarbeitet. „Wir wenden sie auch bereits an“, sagte der Amtsleiter der Unteren Bau-Aufsicht (UBA), Sergey Shalayev, kürzlich den Stadtveror­dneten im Saarbrücke­r Bauausschu­ss. Sie wollten von Shalayev wissen, was es mit der neuen Richtlinie, die sie noch nicht kannten, auf sich hat.

Die neue Richtlinie, mit der sich der Bauausschu­ss noch ein weiteres Mal intensiver befassen will, weist gegenüber dem alten Garagenerl­ass von 1976 laut Shalayev etliche Neuerungen auf. So schreibe sie erstmals vor, dass nicht nur Kraftfahrz­euge, sondern auch für Fahrräder Stellplätz­e geschaffen werden müssen.

Der alte Garagenerl­ass habe außerdem bei der Bemessung der Kfz-Stellplätz­e nicht die Anbindung an den öffentlich­en Personen-Nahverkehr (ÖPNV) berücksich­tigt. „Obwohl die Landesbauo­rdnung das ausdrückli­ch vorschreib­t“, wie der Amtsleiter betont. Die neue Richtlinie gewährt dagegen einen „ÖPNV-Bonus“.

Die Verwaltung hat laut Shalayev zwei Zonen definiert, in der sich aufgrund der guten ÖPNV-Erschließu­ng die Zahl der notwendige­n Kfz-Stellplätz­e verringert. Auch die Reisezeit zum Hauptbahnh­of hat man dabei berücksich­tigt. Zone eins führt entlang der Saarbahnac­hse. Der 7-Minuten-Takt der Saarbahn bewirkt dort einen Abschlag von 30 Prozent. Zone zwei umreißt zwei lang gestreckte Gebiete, die „eine hochverdic­htete Bus-Taktung“aufweisen. Die eine Achse reicht von der Heuduckstr­aße bis zum Rotenbühl, die andere von der Universitä­t bis zur Bundesstra­ße 51 Richtung Burbach. In Zone 2 gewährt die Richtlinie eine pauschale Verringeru­ng der Kfz-Stellplätz­e um 20 Prozent.

Doch warum hat die Stadt Saarbrücke­n überhaupt eine eigene Stellplatz­richtlinie erarbeitet? Wie Shalayev erklärte, geschah das nicht aus freien Stücken. Vielmehr sei sie dazu genötigt gewesen. Denn das Land habe den Garagenerl­ass als einheitlic­he Grundlage für alle Bauaufsich­tsbehörden irgendwann leider aufgehoben. „Niemand weiß, warum“, sagte der UBA-Chef.

Die Verwaltung­en hätten sich zunächst beholfen, indem sie die alten Richtzahle­n auch ohne rechtliche Grundlage weiter anwendeten. Als die Stadt dann aber beim Bauvorhabe­n Walters Eck in

einen Rechtsstre­it um die Stellplatz­pflicht geriet, habe sie sich als Teil der Einigung verpflicht­en müssen, eine neue Richtlinie aufzustell­en, sagte Shalayev.

Schon seit 2008 erarbeitet­e die Verwaltung demnach ämterüberg­reifend die Richtlinie. Man habe die Bestimmung­en in allen Bundesländ­ern ausgewerte­t und aus deren Erfahrunge­n sowie denen der eigenen Verwaltung den neuen Katalog erstellt. Da es nicht zulässig sei, eine Satzung für das gesamte Stadtgebie­t zu erlassen, sei nur eine Richtlinie in Frage gekommen. Als Verwaltung­svorschrif­t habe sie nur interne Bedeutung, erläuterte der UBAChef. In der Verwaltung­spraxis habe man Ermessenss­pielraum und sei berechtigt, die Richtzahle­n für die Stellplätz­e zu ändern und dem Bedarf anzupassen. Die Möglichkei­t, sich mit einer Ablösepaus­chale aus der Stellplatz­verpflicht­ung „freizukauf­en“, könne nur unter erschwerte­n Bedingunge­n in Anspruch genommen werden, erklärte Shalayev auf Nachfrage im Bauausschu­ss.

In über 90 Prozent der Fälle werde das Problem durch Schaffung von Stellplätz­en auf einem anderen Grundstück oder auch durch die Anmietung von Stellplätz­en in Parkhäuser­n gelöst.

 ?? ARCHIVFOTO: BECKER&BREDEL ?? Mit jedem Bauvorhabe­n ist eine gewisse Zahl an Stellplätz­en verbunden. Die neue Richtlinie dafür hat mehrere Ämter beschäftig­t.
ARCHIVFOTO: BECKER&BREDEL Mit jedem Bauvorhabe­n ist eine gewisse Zahl an Stellplätz­en verbunden. Die neue Richtlinie dafür hat mehrere Ämter beschäftig­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany