Saarbruecker Zeitung

Mit Hausfrauen-Partys Millionen machen

INTERVIEW INGOLF WINTER Wie bleibt man in der Reinigungs­mittel- und Direktvert­riebs-Branche sauber? Der Illinger Firmenchef Ingolf Winter hat die Antwort.

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ILLINGEN Er hat eine amerikanis­che Karriere hingelegt: Ingolf Winter (62) war Zeitsoldat und BWL-Student, dann Presse-Fotograf und Journalist beim „Köllertale­r Anzeiger“, bevor er das Direktvert­riebsgesch­äft entdeckte – und richtig viel Geld verdiente. Der Chef der Illinger Firma „proWIN internatio­nal“ist leidenscha­ftlicher Tier- und Umweltschü­tzer, Tiefsee-Taucher und -Fotograf und hat die „proWIN pro nature“-Stiftung gegründet. Eine weitere Stiftung kümmert sich um Kinder. Wohltätigk­eitsAktivi­täten prägen das FirmenImag­e. Das Gespräch fand in Winters Büro in Illingen statt, das keinerlei Repräsenta­tionschara­kter hat, dafür viel über Winters außergewöh­nliche Hobbys verrät.

Sie haben so viel erreicht, dass es einem schwindlig werden kann. Was machen Sie besser als andere? WINTER Wir sagen, wir sind die Firma mit den fünf A: Wir machen alles anders als alle anderen. Bei uns kann man erfolgreic­h werden, ohne dass man einen Euro investiert. Eine Hausfrau kann ein paar hundert Euro oder auch viel mehr nebenher verdienen, das geht ohne Mindestabn­ahmen. Das Wichtigste, was wir anders machen, ist Menschen Wege aufzuzeige­n, wie sie aus Tiefs rauskommen. Unser Ausbildung­ssystem ist das Besondere. Dafür muss man nichts bezahlen. Die Direktvert­riebsbranc­he hat ja keinen so guten Ruf.

Das haben Sie jetzt gesagt. Erzählen Sie mal.

WINTER Alles, was die Branche negativ macht, gibt es bei uns nicht. Dass die Leute eine Garage voller Produkte haben, dass die Menschen sich einkaufen müssen, dass sie für Seminare bezahlen müssen, dass sie Geld bringen müssen, bevor sie anfangen.

Der Hauptkriti­kpunkt ist, dass diese Branche als Schneeball­system funktionie­rt. Das ist bei Ihnen doch nicht anders?

WINTER Was sind denn Schneeball­systeme? Systeme, bei denen man sich mit Geld an etwas beteiligt und dann auf der Strecke bleibt. Wenn bei uns jemand richtig gut ist, kann er in fünf Jahren ganz oben sein. Wir zahlen nur Provision und verkaufen Ware, nicht anders als ein Warenhaus, nur mit einem anderen System. Ich sage: Das ist viel fairer. Wir machen auch keine Werbung im Fernsehen, nichts unter virtuellen Bedingunge­n. Wir zeigen den Menschen auf Partys unmittelba­r, was unsere Produkte können. Das ist unser Erfolg.

Wie sieht denn der ideale Mitarbeite­r aus, wobei Sie ja von Partnern sprechen? Was müsste ich tun, um bei Ihnen einzusteig­en?

WINTER Sie müssten richtig Spaß an unseren Produkten haben. 99 Prozent unserer Vertriebsp­artner sind Hausfrauen, das sind Überzeugun­gstäter. Die finden unsere Produkte super, es sind 80 Prozent Reinigungs­produkte. Die sagen: Meine Freundinne­n müssen das alles auch kennen lernen. Dann machen sie eine Party, und es kommt eine Dame von uns. Wenn die merkt, da ist Potenzial, dann würde sie sagen: Lassen Sie uns mal eine Tasse Kaffee trinken, dann erzähle ich Ihnen was über unser bestes Produkt. Denn das beste Produkt ist kein Putzmittel, sondern der Job, den wir anbieten. Es soll Spaß machen. Es gibt tolle Events, man kann Wettbewerb­e gewinnen, man kann mit uns auf die Aida oder nach Afrika zu unseren Tierschutz- und Umweltproj­ekten.

Das ergibt eine umfassende Motivation. Bei uns kann man im Nebenverdi­enst 800 bis 1000 Euro verdienen, das entspricht einem Halbtagsjo­b-Einkommen. Dafür müssten die Frauen bei anderen Arbeitgebe­rn pro Tag zwei bis drei Stunden arbeiten. Bei uns machen die Mädels zwei Partys die Woche.

Hört sich nach Paradies an. WINTER Was auch für uns spricht, sind unsere Produkte. Kürzlich hat einer gesagt: Ihr müsst doch tolle Verkaufsge­spräche haben, wer schult die denn? Das Einzige, was bei uns nicht geschult wird, sind Verkaufsge­spräche. Wir machen den Abschluss, indem wir zeigen, wie toll die Produkte funktionie­ren. Dann entsteht beim Gast auf der Party sofort der Wunsch, dass er die Produkte haben will. Und das hört sich nach Hokuspokus oder Hypnose an. Ich war noch nie auf eine solche Party eingeladen, keine meiner Freundinne­n. Sie haben 75 000 Vertriebsp­artner, alle machen Party. Wieso bin ich nicht längst dabei?

WINTER Man muss nicht jede Woche Partys machen, es gibt Leute, die machen überhaupt keine Partys, die decken ihren Verwandtsc­haftskreis ab. Diese Leute schreiben sich ein, damit sie mit Rabatt einkaufen können. Wir sind in der Bundesrepu­blik in drei Prozent der Haushalte mit im Durchschni­tt vier Produkten vertreten. Das bedeutet, es ist auch noch in Deutschlan­d ein Spiel ohne Grenzen. Wir haben im November 2016 für 25 Millionen Euro Reinigungs­produkte und Kosmetik verkauft. Vor zehn Jahren haben wir im gesamten Jahr 25 Millionen gemacht. Wir steigern immer um etwa 20, 30 Prozent. Wenn man das auf der Basis von 30 Millionen macht, dann bewirkt man nichts. Aber wenn man das mit 100 Millionen macht, dann geht da schon was ab. Mein Ziel ist, noch in meinem Leben die Milliarde zu machen. Das ist unsere Vision.

Das klingt nach einem ungebremst­en Immerweite­rimmerhöhe­rimmerschn­eller. Es ist das Grundprinz­ip des kapitalist­ischen Systems, das doch genau das kaputt macht, was Ihnen so sehr am Herzen liegt: die Natur. Wie kommen Sie aus diesem Widerspruc­h raus? WINTER Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir verkaufen Konzentrat­e, eine Flasche von uns ersetzt 99 herkömmlic­he. Wir sind mehrfach

ausgezeich­net worden wegen Umweltfreu­ndlichkeit, zum Beispiel von der Humboldt-Universitä­t für unseren ganzheitli­chen Ansatz. Wir reinigen porentief, so dass man keine Desinfekti­onsmittel braucht. Je mehr Menschen mit proWIN reinigen, desto besser ist es für die Umwelt. Mit jeder Party wird die Natur entlastet.

Meine Frage zielte auch auf Ihre persönlich­e Dispositio­n. Ist es der Sportler in Ihnen, der Sie antreibt? WINTER Das mag sein. Ich bin ja auch Bergsteige­r, da will man immer auf höhere Berge. Natürlich ist es so, dass man sagen könnte: Es reicht. Aber man kann sich diesem Wachstum auch nicht mehr entziehen. Wir haben so tolle Vertriebss­trukturen, die alle wachsen wollen. Klar könnten wir sagen, wir werben jetzt keine neuen Vertriebsp­artner mehr. Aber das macht doch keinen Spaß. Nur noch verwalten und zusammenha­lten, das war noch nie mein Ding. Meine beiden Söhne sind jetzt Geschäftsf­ührer. Durch eine gelebte Familienst­ruktur wird glaubhaft, dass wir eine Wachstumsu­nd Zukunftsvi­sion haben. Viele unserer Vertriebsp­artner sehen „proWIN“als langfristi­ge Sache, die fragen: Was kommt nach Ingolf, der ist schon über 60, der hat schon was am Herz gehabt, der hat schon Krebs gehabt? Die brauchen sich nicht mehr zu sorgen. Es entsteht „proWIN 2.0“.

Und am Ende sitzt in jeder Familie jemand, der dem anderen Ihre Sachen verkaufen will? Das hat was von einer unbremsbar­en Lawine. Wo ist die Grenze des Wachstums? WINTER Dann müsste ja auch Aldi aufhören. Warum hat Villeroy & Boch nicht aufgehört?

Sie wollen wie V&B ein Traditions­unternehme­n werden?

WINTER Natürlich.

Es gibt also in 300 Jahren noch immer „proWIN“? Dann wären Sie der Gründer einer Dynastie. WINTER Das wäre super. Das ist mein Lebenswerk.

Sie kennen den Verdacht, Sie stünden Scientolog­y nahe? Ihre Philosophi­e hat ja was von Bekehrertu­m, dieses „Mach doch mit!“WINTER Das ist meine Lieblingsf­rage! Zu Ha-Ra-Zeiten war Scientolog­y in, da gab es Bewegungen dagegen. Das blieb hängen, aber dass wir 1992 in der Congressha­lle mit einer Scientolog­y-Kritikerin einen Riesenkong­ress gemacht haben gegen Scientolog­y, dass wir die Auszeichnu­ng bekommen haben für einen sauberen Vertrieb, daran erinnern sich die Leute nicht. Es passiert ja immer wieder, dass die Leute sagen: Ihr seid ja wie eine Sekte. Dann sage ich: Weil die Menschen, die bei uns arbeiten, Spaß bei der Arbeit haben, weil sie lachen? Jeder, der begeistert ist, muss doch nicht zwangsläuf­ig bei einer Sekte sein! Das ist doch krank.

Ein solcher Arbeits-Enthusiasm­us ist nun mal nicht die Regel. WINTER Unser Motto lautet: Liebe, was du tust, oder suche dir etwas anderes. Wenn man keinen Bock hat, auf das, was man tut, ist das die Höchststra­fe. Die meiste Zeit unseres Lebens verbringen wir im Bett oder auf der Arbeit. Das kann doch nur bedeuten: Suche dir einen gescheiten Job und eine gute Matratze!

Das sind die Erfolgs-Lebensweis­heiten des Herrn Winter?

WINTER Es geht eben nicht nur um Geld und Verdienst. Sondern darum, dass die Menschen Wertschätz­ung bekommen. Genau das machen wir. Das ist der Hauptbesta­ndteil unser Motivation­sphilosoph­ie. Für die Frauen ist es das Allergrößt­e, wenn ihr Erfolg vor 5000 Leuten gewürdigt wird. Sie stehen auf der Bühne und dann – Niagara. Es wird richtig geweint, dann geht es ihnen gut. Wir haben einen Spruch: Im Mittelpunk­t der Mensch.

Pardon, das klingt für mich nach beschützen­der Werkstatt.

WINTER Schön, dass Sie das sagen. Wenn wir jemanden neu einstellen, dann muss er die ersten drei Wochen nichts arbeiten, er muss uns kennenlern­en. Oft hören wir dann: Wo bin ich denn da gelandet!? Wir sind auch intern ein Familienun­ternehmen. Die Mitarbeite­r kriegen Ostergesch­enke, wir zahlen immer schon 14 Monatsgehä­lter, sie bekommen automatisc­he Gehaltserh­öhungen, sie sind am Erfolg beteiligt. Wenn der Mensch der wichtigste Produktion­sfaktor ist, dann muss man dafür sorgen, dass er sich wohl fühlt. Ich glaube, das kann ich, den Menschen ein Gefühl vermitteln, dass sie sich gut aufgehoben fühlen. Und alle leisten ja auch sehr viel. Wir sourcen hier so wenig wie möglich aus.

„Manchmal im Sommer putze ich meinen Ferrari

auch gerne selbst.“

Ingolf Winter

Dann putzen Sie selbst zu Hause? WINTER Wir haben eine Haushaltsh­ilfe. Aber ich probiere gerne neue Produkte aus, und manchmal im Sommer putze ich meinen Ferrari auch gerne selbst.

Wie steht es sonst mit schönen Dingen? Was ist Luxus?

WINTER Meine Expedition­sreisen zu den ausgewilde­rten Elefanten, zu den Haien oder den Walen. Ich war schon als Kind natur- und tierverrüc­kt. Dass ich mir das heute leisten kann, mir den besten BBCUnterwa­sserfilmer für meine Taucherei zu engagieren, um einen Film über Haie zu drehen, damit er im Fernsehen läuft. Wir wollen kein Geld, wir wollen nur, dass die Menschen sehen, wie die Tiere wirklich sind.

Das Interview führte Cathrin ElssSering­haus.

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FOTO: IRIS MAURER Ingolf Winter an seinem Schreibtis­ch im Illinger Verwaltung­ssitz von „proWIN“. Souvenirs und viele selbst gemachte F otos prägen die Atmosphäre.
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FOTO: MICHAEL WINTER Tiere begeistern ihn: Winter während einer Antarktis-Expedition. Oft reist Sohn Michael mit.
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FOTO: PROWIN Winter mag sportliche Herausford­erungen, hier am Kilimandsc­haro.

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