Saarbruecker Zeitung

Homosexual­ität in der Gerichtsba­rkeit

-

Der Paragraf 175 des Strafgeset­zbuches (StGB) stellte Sex zwischen Männern unter Strafe. Die Urfassung des Verbotes stammte von 1871 als Abschnitt im Strafgeset­zbuch des Deutschen Reiches. Verstöße endeten für viele verurteilt­e Homosexuel­le im Gefängnis. Die Nationalso­zialisten setzten die Höchststra­fe ab 1935 von sechs Monate auf fünf Jahre herauf. Lesbische Beziehunge­n waren hingegen nicht explizit erwähnt.

In der DDR galt zunächst der Paragraf 175 in der Fassung des Kaiserreic­hs und der Weimarer Republik. Seit Mitte der 50er wurde er de facto kaum noch angewandt, obwohl er erst 1968 aus dem Strafgeset­zbuch der DDR verschwand.

In der Bundesrepu­blik galt der im Dritten Reich verschärft­e Gesetzeste­xt noch bis 1969 weiter. 1973 stand eine zweite Novelle an. Danach war schwuler Sex mit Jugendlich­en unter 18 Jahren verboten sowie heterosexu­elle und lesbische Handlungen unter 14 Jahren. Erst 1994 fiel der bundesdeut­sche Paragraf weg.

Urteile aus der NS-Zeit wurden 2002 aufgehoben. Jetzt sollen auch jene Männer rehabiliti­ert werden, die nach 1945 auf Grundlage des Schwulen-Paragrafen verurteilt wurden.

Etwa 5000 Männer betrifft dies nach Schätzunge­n von Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD), die auf Entschädig­ung hoffen können. Seit 1945 sollen mehr als 50 000 verurteilt worden sein. Sachbuchau­tor Gottfried Lorenz, der am Gesetzentw­urf beratend beteiligt war, schätzt die Zahl schwuler Opfer weitaus höher. Es betreffe auch jene, die durch gesellscha­ftliche Ächtung litten, ohne wegen ihrer sexuellen Orientieru­ng verurteilt worden zu sein. Das Gesetz zur Rehabiliti­erung Homosexuel­ler, das finanziell­e Entschädig­ungen vorsieht, ist nicht in Kraft. Der Bundestag hat den Ende 2016 vorgestell­ten Entwurf noch nicht verabschie­det. Möglicherw­eise geschieht dies im Juni.

Newspapers in German

Newspapers from Germany