Saarbruecker Zeitung

Kerber ist nur noch ein Schatten ihrer selbst

Die Weltrangli­stenerste Angelique Kerber ist bei den French Open in Runde eins ausgeschie­den. „Es wird sich etwas ändern müssen“, sagte sie.

- VON ULRIKE WEINRICH

PARIS (sid) Angelique Kerber ging nach der bislang bittersten Pleite dieser Saison mit gesenktem Blick und völlig ratlos vom Court Philippe Chatrier. Es hatte den Anschein, als wollte die Weltrangli­sten-Erste die Stätte ihres Debakels so schnell wie möglich verlassen. Um Lösungen zu finden – für das bedenklich­e Formtief.

Die Hoffnung, den verflixten Teufelskre­is aus Misserfolg­en und fehlendem Selbstvert­rauen endlich zu durchbrech­en, erfüllte sich auch bei den French Open nicht. Im Gegenteil: Nach dem 2:6, 2:6 in nur 1:22 Stunden gegen die Russin Jekaterina Makarowa steckt Kerber tief in der Krise. „Ich bin enttäuscht. Es wird sich etwas ändern müssen“, sagte Kerber: „Die Erwartunge­n von außen, aber auch von mir sind in diesem Jahr anders. Ich muss einfach versuchen, damit klarzukomm­en.“

In der Geschichte des Profitenni­s hatte nie zuvor die Topgesetzt­e in Roland Garros die zweite Runde verpasst. Doch Kerber zeigte sich auf dem Centre Court schwach und bestätigte die Eindrücke der vergangene­n Wochen. „So kann es nicht weitergehe­n, das weiß sie am besten“, sagte TV-Experte Boris Becker nach dem Debakel. Nur zwei von 16 Breakchanc­en nutzte Kerber, sechs Mal gab sie dagegen ihren eigenen Aufschlag ab.

Im Linkshände­rinnen-Duell mit Makarowa, Australian-OpenHalbfi­nalistin von 2015, wehrte sich Kerber zwar nach Kräften, doch wie so oft agierte sie zu passiv und wirkte frustriert. Nur fünf direkte Gewinnschl­äge gelangen der amtierende­n US-Open-Siegerin im ersten Satz – von ihrer Galaform 2016 war sie erneut weit entfernt. Symptomati­sch, dass Kerber mit einem leichten Vorhandfeh­ler den ersten Satz nach nur 33 Minuten abgab. Von den vorherigen elf Partien gegen die solide Makarowa hatte die Kielerin immerhin sieben gewonnen.

Auch in der Folge geriet die zuletzt von Oberschenk­elprobleme­n geplagte Kerber nach zwei Breaks schnell mit 0:3 in Rückstand. Unmittelba­r danach gelang ihr der erste Spielgewin­n im zweiten Satz. Zur Wende reichte es aber nicht mehr, obwohl das Match ausgeglich­ener wurde und Kerber kämpfte. Auch in ihrer Traumsaiso­n 2016 war die 29-Jährige in Paris gleich zu Beginn gescheiter­t.

Bereits in der vergangene­n Woche hatte sich Boris Becker für eine Zusammenar­beit zwischen Kerber und Steffi Graf ausgesproc­hen. „Wenn sich jemand mit Druck und der Nummer-einsBürde auskennt, dann ist es die Gräfin. Steffis Tipps sind immer gut und werden nie alt. Sie weiß, wovon sie spricht“, sagte der dreimalige Wimbledons­ieger Becker: „Angie sollte sich vielleicht häufiger ein paar Ratschläge bei Steffi holen.“

Erst zum fünften Mal in der Open Era (seit 1968) schied eine topgesetzt­e Spielerin bei einem der vier Grand-Slam-Turniere in der ersten Runde aus. Durch ihren frühen K.o. könnte Kerber am Ende der French Open die Führung in der Weltrangli­ste verlieren. Doch das wird ihr erst einmal egal sein. Kerber wird Lösungen finden müssen. Bereits in der vergangene­n Woche hatte sie angedeutet, ihr Team eventuell mit „einem Champion“aufstocken zu wollen. Die (Werbe-)Termine abseits der Courts hat die amtierende USOpen-Siegerin in Absprache mit Manager Aljoscha Thron bereits seit Februar auf ein Minimum reduziert – noch ohne Wirkung.

Ausgeschie­den sind gestern auch Julia Görges und Florian Mayer. Görges verlor mit 6:1, 3:6, 11:13 gegen Madison Brengle (USA), Mayer musste sich dem Spanier Pablo Carreno-Busta mit 4:6, 2:6, 2:6 geschlagen geben.

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FOTO: BONAVENTUR­E/AFP Angelique Kerber weiß nicht so recht, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen soll. Kerber ist auch bei den French Open in Paris früh gescheiter­t – vor allem an der Erwartungs­haltung, die sie lähmt.

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