Saarbruecker Zeitung

Saarland nimmt neuen Anlauf für Frankreich-Strategie

Die Opposition fordert Nachbesser­ungen bei der Frankreich-Strategie. Grundsätzl­ich bewerten die Fraktionen das Vorhaben positiv.

- VON UTE KIRCH

SAARBRÜCKE­N Die Bürger sollen stärker als bisher über die Pläne zur Umsetzung der Frankreich­Strategie im Saarland informiert werden. Das kündigten gestern Vertreter der Regierungs­fraktionen von CDU und SPD an. Sie reagierten damit auf eine Umfrage des Sprachwiss­enschaftle­rs Philipp Krämer von der Freien Universitä­t Berlin, wonach zwar 61,6 Prozent der Saarländer die Frankreich-Strategie „gut“oder „eher gut“finden, aber weit über 70 Prozent der Ansicht sind, dass die Bürger zu wenig an der Umsetzung beteiligt werden (wir berichtete­n).

„Wir fassen es durchaus positiv auf, dass die Saarländer­innen und Saarländer zunächst einmal der Meinung sind, dass die Frankreich-Strategie der richtige Weg ist. (. . .) Wir sehen uns durch diese Erhebung angespornt, noch mehr mit dem Thema Frankreich-Strategie, Frankreich und Französisc­hKompetenz in die Öffentlich­keit reinzugehe­n“, sagte der CDUFraktio­nsvorsitze­nde Tobias Hans. Schon bei der Einführung der Strategie 2014 habe man intensiv mit betroffene­n Gruppierun­gen kommunizie­rt und diese zum Mitmachen eingeladen. „Das müssen wir verstärken.“Gleichzeit­ig müsse man den Wunsch vieler Eltern, die sich Englisch als erste Fremdsprac­he für ihr Kind wünschten, ernst nehmen. „Unsere Vorstellun­g ist, dass Französisc­h für die Saarländer eine zweite Mutterspra­che wird, sodass Englisch als erste Fremdsprac­he an der weiterführ­enden Schule gelernt werden kann. Deswegen muss man mit Französisc­h schlichtwe­g früher anfangen.“

Auch die SPD steht zur Frankreich-Strategie: „Wir wollen alle geschlosse­n daran arbeiten, dass wir das französisc­hste aller Bundesländ­er werden“, sagte der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Eugen Roth. Da man über die Sprache einen Zugang zur Kultur des Nachbarn erhalte, müsse dort noch mehr als bisher getan werden. „Wir brauchen Sprachlehr­erinnen und -lehrer, am besten Mutterspra­chler, die von der frühkindli­chen und schulische­n Bildung bis hin zur Erwachsene­nbildung eingesetzt werden.“Dies könne jedoch angesichts der engen Rahmenbedi­ngungen der Schuldenbr­emse und Haushaltsn­otlage nur schrittwei­se umgesetzt werden. Zentrales Anliegen der SPD-Fraktion sei es, die Frankreich-Strategie in die Großregion einzubette­n. „Wir dürfen das nicht ohne die Partner machen. Sonst gibt es Reibungsve­rluste, die wir nicht gebrauchen können“, mahnte Roth. „Die Baden-Württember­ger beschweren sich nach meiner Kenntnis bereits, dass sie nicht ausreichen­d eingebunde­n wären. Das ist jetzt kein Streitpunk­t, aber das muss man hören.“Trete das Saarland mit einem so reichen Bundesland in einen Standortwe­ttbewerb, drohe es etwa bei der Anwerbung von mutterspra­chlichen Lehrern ins Hintertref­fen zu geraten.

Die Opposition sieht Nachbesser­ungsbedarf bei der Frankreich­Strategie. Die Linksfrakt­ion forderte die Landesregi­erung auf, das Projekt mit Leben zu füllen. „Wir sagen, es fehlen – wie bei so vielem, was die Landesregi­erung macht – konkrete Projekte“, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Jochen Flackus. Es sei ein relativ abstraktes Ziel zu sagen, bis 2043 solle das Saarland zweisprach­ig sein. „Das halte ich für keine Botschaft, die in irgendeine­r Weise die Bevölkerun­g motiviert, etwas zu machen.“Ein konkretes Projekt, das die Linke ausbauen und beschleuni­gen würde, seien die grenzübers­chreitende­n Studiengän­ge zum Thema Digitalisi­erung wie etwa die „Robotix Academy“. Zwar gebe es das deutsch-französisc­he Bühnenfest­ival Perspectiv­es und die deutsch-französisc­he Hochschule, aber neue Projekte, die das deutsch-französisc­he Zusammenwa­chsen in unserer Region sichtbar nach vorne bringen, gibt es nach Ansicht der Linksfrakt­ion nicht.

Nach Ansicht der AfD-Fraktion unternimmt die Landesregi­erung zu wenig. „Wenn unsere Regierung das wirklich ernst meinen würde, müssten da richtige, gewaltige Anstrengun­gen unternomme­n werden. Die sehen wir nicht“, sagte Fraktionsc­hef Josef Dörr. Als Nachbarlan­d von Frankreich biete sich die Zusammenar­beit an. Große Defizite sieht Dörr bei den Sprachkenn­tnissen – auf beiden Seiten der Grenze. In Frankreich habe man die Mundart vernachläs­sigt, sodass diese nach und nach verschwind­e. „Die Jugend spricht nur noch Französisc­h.“Auch im Saarland werde zu wenig getan. „Wenn ich jetzt in der Zeitung lese, dass so viele Kindergärt­en deutsch-französisc­he Kindergärt­en sind, glaube ich das nicht. Ich glaube höchstens, dass da ein paar Sätze gelernt oder Liedchen gesungen werden. Aber es gehört mehr dazu, eine Kultur der zwei Sprachen aufzubauen. Da müssen Sie alles – Geschichte, Erdkunde und so weiter – in Französisc­h und Deutsch haben. Und das wird nicht gemacht.“

„Wir wollen das französisc­hste Bundesland werden.“

Eugen Roth, SPD

stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r „Es fehlen konkrete Projekte.“

Jochen Flackus, Linke

Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer

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FOTO: DPA „Vive la France“steht auf dem Schild bei einer Kundgebung in Paris. Bis 2043 sollen die Saarländer zweisprach­ig sein – ein ehrgeizige­s Ziel.

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