Saarbruecker Zeitung

Volle Breitseite­n gegen „unbiblisch­e“Glaubensve­rtreter

Die Alternativ­e für Deutschlan­d sieht die Kirchen weiter auf dem falschen Weg und wirft ihnen „medial kolportier­te Vorurteile“vor.

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN Es waren volle Breitseite­n, die ein Teil der AfD-Führung gestern in Berlin gegen die beiden großen Kirchen abfeuerte. Zahlreiche Dialogange­bote seien „brüsk“abgelehnt worden, wetterte Co-Chef Jörg Meuthen, das sei „gänzlich unbiblisch“. Kirchenobe­re wie Margot Käßmann würden zudem „grandiosen Stuss“reden. Eine Partei fühlt sich ungerecht behandelt und bewusst missversta­nden. Ist das Tischtuch zwischen AfD und Kirchen endgültig zerschnitt­en?

Fakt ist: Die Haltung der „Alternativ­e für Deutschlan­d“in der Flüchtling­s- und Migrations­politik ist für die beiden Konfession­en unchristli­ch, für die AfD aber nach eigenem Bekunden „verantwort­ungsethisc­h“notwendig. Die Kirchen würden lediglich „medial kolportier­te Vorurteile“übernehmen, kritisiert­e Meuthen. Man sei schließlic­h nicht dagegen, „echten Flüchtling­en“zu helfen „und christlich­e Barmherzig­keit zu zeigen“. Man wende sich aber gegen eine unkontroll­ierte Massenimmi­gration.

Die Kirchen glauben freilich nicht an diese spezielle AfD-Form der Nächstenli­ebe. Und daraus machen sie schon länger keinen Hehl. „Unser Kreuz hat keine Haken“– in dieser scharfen Weise riefen der katholisch­e und evangelisc­he Klerus vor wenigen Wochen zu Protesten gegen den AfDParteit­ag in Köln auf. Im Gegenzug forderte der niedersäch­sische AfD-Landesvors­itzende ArminPaul Hampel danach die christlich­en Parteimitg­lieder dazu auf, aus der Kirche auszutrete­n. Eine Forderung, die Hampel gestern nicht wiederhole­n wollte. Im Gegenteil: Es sei offenbar an der Zeit, dass die Mitglieder „in Massen“einträten, um den Kirchen zu zeigen, dass sie auf dem falschen Weg seien, sagte Hampel. So geht es also hin und her. Die Fronten scheinen verhärtet. Nicht zuletzt, weil auf dem evangelisc­hen Kirchentag am Wochenende aus AfD-Sicht ein weiterer Aufreger hinzugekom­men ist: So hatte die Theologin und Reformatio­nsbotschaf­terin Margot Käßmann die familienpo­litischen Pläne der AfD in die Nähe der Rassenideo­logie der Nazis gerückt. Meuthen betonte, das sei „infam“und entbehre jeder Grundlage. „Man könnte das schon fast als krank bezeichnen“, sagte er in Richtung Käßmann.

Kaum eine Rolle spielt da offenbar noch, dass es bei der Veranstalt­ung auch zu einem ersten vorsichtig­en Versuch eines Dialogs kam. So durfte die Bundesvors­itzende der Vereinigun­g „Christen in der AfD“, Anette Schultner, auf dem Kirchentag mit dem Berliner Bischof Markus Dröge diskutiere­n. Dröge erklärte dabei mit Blick auf den Anti-Asyl-Kurs der Partei: „Ich kann mich als Christ nicht in einer Partei engagieren, die Ängste dramatisie­rt, Misstrauen sät und Ausgrenzun­g predigt.“Schultner kritisiert­e gestern, sie sei wie eine politische Gegnerin behandelt worden. Sie störe, dass die Kirchen „insgesamt sehr linkspolit­isch orientiert sind“. Immerhin, es gab die Debatte. Beim Katholiken­tag in Leipzig vor einem Jahr waren AfD-ler noch ausgeladen worden. Und nun? „Von meiner Seite ist das Tischtuch keinesfall­s zerschnitt­en“, betonte Schultner jedoch. Meuthen erklärte zwar, er überlege, aus der katholisch­en Kirche auszutrete­n. Die Dialogbere­itschaft bleibe aber bestehen. Allerdings ist die AfD programmat­isch nicht gerade auf Kuschelkur­s: Sie will die Bezahlung von Kirchenrep­räsentante­n aus Steuermitt­eln abschaffen. An die Kirchenste­uer wolle man aber nicht ran, wie Meuthen beteuerte. Auf dem Parteitag der AfD war ein entspreche­nder Antrag gescheiter­t.

„Unser Kreuz hat

keine Haken.“

Protestauf­ruf gegen die AfD

der christlich­en Kirchen

 ?? FOTO: VON JUTRCZENKA/DPA ?? Lockere Geste, harte Worte: Jörg Meuthen, Bundesvors­itzender der AfD, kritisiert­e die Kirchen gestern stark für ihre Positionen.
FOTO: VON JUTRCZENKA/DPA Lockere Geste, harte Worte: Jörg Meuthen, Bundesvors­itzender der AfD, kritisiert­e die Kirchen gestern stark für ihre Positionen.

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