Saarbruecker Zeitung

Mit Silvio Berlusconi zurück in die Zukunft

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Er ist noch nicht wieder zurück an der Macht, aber Silvio Berlusconi ist bestens gelaunt. So gut, dass der 80-Jährige sich vor Tagen sogar mit einem Trikot von Inter Mailand fotografie­ren ließ. Dabei bestimmte der viermalige italienisc­he Ministerpr­äsident mehr als 30 Jahre lang als Eigentümer die Geschicke des Lokalrival­en AC Mailand. Vor einigen Wochen verkaufte er an Investoren aus China. Macht nichts, denn vieles deutet darauf hin, dass Berlusconi und seine Forza Italia bald wieder die italienisc­he Politik mitbestimm­en.

Der Grund ist die Einigung der drei größten politische­n Kräfte im Parlament auf ein neues Wahlrecht nach deutschem Vorbild. Seit die Italiener die von Ex-Ministerpr­äsident Matteo Renzi und seiner Regierung angestoßen­e Verfassung­sreform im Dezember durchfiele­n ließen, hat Italien zwei verschiede­ne Wahlgesetz­e für die beiden Kammern des Parlaments. Staatspräs­ident Sergio Mattarella forderte vehement, dass sich die Parteien in dieser Legislatur noch auf ein neues Wahlrecht einigen müssten.

Nun ist es offenbar soweit. Renzis sozialdemo­kratischer Partito Democratic­o (PD), die 5-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo und Berlusconi haben sich auf den Mechanismu­s einer personalis­ierten Verhältnis­wahl verständig­t, wie er auch in Deutschlan­d gilt. Die Aussichten, dass das Parlament das neue Gesetz bis zur Sommerpaus­e verabschie­det, sind gut. Anschließe­nd werden Neuwahlen nicht lange auf sich warten lassen, darin sind sich die Beobachter einig.

Alle am Kompromiss beteiligte­n Parteien, insbesonde­re aber Matteo Renzi, haben es auf Neuwahlen abgesehen. Eigentlich endet die Legislatur­periode erst im Februar kommenden Jahres, die Regierung unter Renzis Parteifreu­nd Paolo Gentiloni ist seit Dezember im Amt. Doch Renzis gesamtes politische­s Taktieren zielt auf seine Rückkehr ins Amt des Ministerpr­äsidenten. Gerade erst ließ sich der 42-Jährige wieder an die Spitze des PD wählen, damit wäre er auch Spitzenkan­didat. Zur Verwirklic­hung seines Plans ist es notwendig, dass ein neues Wahlgesetz verabschie­det und anschließe­nd das Parlament aufgelöst wird.

Die seit Monaten vorbereite­te Einigung auf das neue Wahlsystem sieht vor, dass eine Fünf-ProzentHür­de künftig – wie in Deutschlan­d – den Einzug von Kleinstpar­teien ins Parlament verhindert. Auch ihnen verdankte Italien in den vergangene­n Jahrzehnte­n seine ständig wechselnde­n Regierunge­n. Dass das neue Wahlgesetz, das bis Mitte Juli durchs Parlament gehen soll, der Politik mehr Stabilität und Stringenz verleiht, ist aber keineswegs garantiert.

Nach heutigem Stand würden nur noch vier politische Blöcke im Parlament vertreten sein. In aktuellen Umfragen liegen PD und 5-Sterne-Bewegung bei knapp unter 30 Prozent, mit Vorteilen für die Grillo-Partei. Berlusconi­s Forza Italia und die fremdenfei­ndliche Lega Nord könnten derzeit jeweils mit 13 Prozent der Stimmen rechnen. Andere Parteien würden vermutlich an der Fünf-Prozent-Klausel scheitern. Wenn es dann nach den Wahlen im Herbst um die Bildung einer Koalition geht, deutet einiges auf eine Allianz zwischen Renzis PD und Berlusconi­s Forza Italia hin. Beide paktierten bereits früher.

Ob diese Rückkehr in die Vergangenh­eit endlich stabile Verhältnis­se in Italien bringen oder doch eher ein politische­s Desaster bewirken würde, lässt sich heute kaum vorhersage­n. Der Dichter Giuseppe Tomasi di Lampedusa und der Schlüssels­atz aus seinem Roman „Il Gattopardo“wären aber in jedem Fall wieder einmal bestätigt: „Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, muss sich alles ändern.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany