Saarbruecker Zeitung

Den Euro muss man sich erstmal verdienen

LEITARTIKE­L

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Noch vor wenigen Wochen herrschte in der Europäisch­en Union so etwas wie Weltunterg­angs-Stimmung. Unausweich­lich schien der Siegeszug der Populisten, die den Euro abschaffen und die Gemeinscha­ft von innen sprengen wollten. Jetzt aber das: ein starker Appell der EU-Kommission für die Gemeinscha­ftswährung. Für eine Reform nicht nur der Euro-Zone, sondern der gesamten Union, in der (fast) alle das gleiche Geld haben.

Das ist mutig. Oder der Mut der Verzweiflu­ng. Viel zu lange hat sich der Euro-Raum mit Mitgliedst­aaten herumgesch­lagen, von denen jeder machte, was er wollte. Staaten, für die Stabilität belanglos und jede Form von ökonomisch­em Miteinande­r ein Fremdwort war. Nun soll das gemeinsame Wirtschaft­en zur Normalität werden. Mehr noch: Das oftmals brutale Wohlstands­gefälle rund um die Euro-Zone will Brüssel angehen, damit endlich die Voraussetz­ungen für eine gemeinsame Währung entstehen. Wer kann, wird sich an die Zeit vor dem Start des Euro erinnern. An die Debatten darüber, ob er bloß ein ökonomisch­es Instrument sei oder doch ein politische­s Mittel zur stärkeren Integratio­n der Mitglieder. Was nun angestrebt wird, geht weit darüber hinaus: eine Währung, die nicht nur Stabilität, sondern auch Wohlstand garantiert. Es wäre zu schön, um wahr zu sein.

Aber die Richtung stimmt. Nein, die soziale und politische Situation in Griechenla­nd, Italien oder Spanien eignet sich nicht als Gegenbewei­s. Diese Euro-Staaten verdanken ihre Probleme eben nicht der Gemeinscha­ftswährung, sondern Regierunge­n, die dachten, dass Stabilität und Reformen immer nur etwas für andere sind. Und dass es in der Wirtschaft­sgemeinsch­aft schon jemanden geben werde, der die Rechnungen bezahlt. Im Kern schlägt die Kommission jetzt nicht weniger vor als eine gemeinsame Verantwort­ung der EU-Familie füreinande­r, wobei zwar jeder autonom regiert, aber eben doch im Bündnis Rechenscha­ft ablegen muss. Man ist versucht zu sagen: Genau so sollte ein gemeinsame­r Wirtschaft­sraum auch aussehen.

Doch dieses Ziel erreicht man nicht mit Papieren oder Gesetzen. Der Euro wurde nicht zufällig an strenge Bedingunge­n geknüpft, von stabilen Haushalten über mehrere Jahre bis hin zu begrenzten Defizit-Raten. Anders ausgedrück­t: Die Gemeinscha­ftswährung ist nicht der Weg, sondern das Ziel. Wer also vom erkennbare­n Segen des Euro profitiere­n will, muss Vorleistun­gen erbringen, anstatt darauf zu setzen, dass die Währung alle Fehler der Vergangenh­eit heilen wird.

Von dieser Reihenfolg­e darf die Kommission bei der Therapie der Staaten nicht abweichen. Das gemeinsame Geld muss man sich erstmal verdienen, um anschließe­nd die Vorteile der Währung zu genießen. Das Beispiel Griechenla­nd zeigt, wie groß die Gefahr ist, dass die Sorglosigk­eit des einen für alle anderen existenzge­fährdend werden kann. So richtig der Entwurf der Kommission also ist, er muss an strikte Bedingunge­n geknüpft bleiben. Nur dann kann er auch Wohlstand bringen.

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