Saarbruecker Zeitung

Auch qualifizie­rte Industriej­obs bedroht

Eine Studie sieht hohe Jobrisiken im Saarland durch Digitalisi­erung. Die Wirtschaft erwartet dagegen viele neue Stellen.

- VON VOLKER MEYER ZU TITTINGDOR­F

SAARBRÜCKE­N Manchem wird angst und bange, wenn er nur die Stichworte Industrie 4.0 und Digitalisi­erung hört. Gerade in den Belegschaf­ten von Industrieb­etrieben wächst die Sorge vor Jobverlust­en. Unberechti­gt sind diese Sorgen offenbar nicht, blickt man auf eine Studie, die das Institut für Arbeitsmar­kt und Berufsfors­chung (IAB) gestern vorgestell­t hat. Demnach ist im Saarland der Anteil der Jobs, die zu mehr als 70 Prozent durch IT ersetzt werden können, mit einem Fünftel im Vergleich zum Rest der Republik besonders hoch. Was daran liegt, dass hierzuland­e die industriel­le Fertigung eine überdurchs­chnittlich starke Rolle spielt.

Auch ist es keineswegs so, dass nur die Stellen von Geringqual­ifizierten möglicherw­eise bedroht sind. Fachkräfte mit dualer Ausbildung sind der Studie zufolge fast genauso stark betroffen. Die Möglichkei­t, dass Tätigkeite­n durch IT übernommen werden können, schätzten die Studienaut­oren bei Helferjobs auf 47,9 Prozent ein und bei Stellen von Fachkräfte­n auf 47,1 Prozent. Auch regionale Unterschie­de innerhalb des Saarlandes macht die Untersuchu­ng aus: So liege die Gefahr des Jobverlust­s durch Digitalisi­erung im Kreis Merzig-Wadern bei 16 Prozent der Tätigkeite­n, im Kreis Saarlouis dagegen bei 28 Prozent.

Gleichwohl spricht die Studie auch von Chancen der Digitalisi­erung. Denn es gingen nicht nur Arbeitsplä­tze verloren, es würden auch neue entstehen. „Die computerge­steuerten Maschinen müssen entwickelt und gebaut werden. Es werden Fachkräfte gebraucht, um die Maschinen zu steuern“, heißt es in der Abhandlung.

Die Industrie- und Handelskam­mer des Saarlandes (IHK) warnt sogar davor, aus den Studienerg­ebnissen „auf negative Arbeitsmar­kteffekte zu schließen“, sagt Geschäftsf­ührer Mathias Hafner. Zwar sei es richtig, dass im Industriel­and Saarland viele Jobs durch IT ersetzbar sind. Aber das „ist eben auch ein Zeichen dafür, dass besonders große Produktivi­tätsgewinn­e erzielbar sind. Das bedeutet: Es entsteht Spielraum zu investiere­n, neue Produkte können entwickelt, neue Märkte erschlosse­n werden. Und dafür benötigen die Unternehme­n neue Arbeitskrä­fte.“

Auch Hermann Becker, Leiter des Saarbrücke­r ZF-Werks, glaubt nicht, dass „die Vision von einer menschenle­eren Fabrik“eintrifft. Um die Digitalisi­erung in der Produktion umzusetzen, würden Menschen gebraucht. Allerdings „ändern sich die Berufsbild­er“, ist Becker überzeugt. Wo heute mechanisch­e Werkzeuge genützt würden, werde man künftig mit einem Tablet in der Hand arbeiten. So sieht man das auch bei Bosch in Homburg. „Bestimmte Berufe werden – wie auch in den vergangene­n Jahrzehnte­n – durch den technische­n Wandel verschwind­en. Dafür werden neue anspruchsv­ollere Berufe entstehen und gestärkt“, sagte ein Bosch-Sprecher. Er ist davon überzeugt, dass Industrie 4.0 die Wettbewerb­sfähigkeit an Hochkosten-Standorten stärkt und „so auch Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d erhalten kann“. Auch Geringqual­ifizierte könnten profitiere­n, etwa durch intuitive Software und klare, digitale Handlungsa­nweisungen.

Torsten Brandt, Referent für Personalpo­litik bei der Arbeitskam­mer des Saarlandes, befürchtet durchaus, dass Jobs, gerade für Geringqual­ifizierte, durch den digitalen Wandel wegfallen. Aber auch er sieht Chancen, dass neue Arbeitsplä­tze entstehen. Damit das passiert, müsse in Qualifizie­rung investiert werden, zudem bräuchten gerade kleine und mittelstän­dische Unternehme­n Unterstütz­ung, um den digitalen Wandel zu bewältigen sowie Jobs zu erhalten und zu schaffen. Das fordert auch die Studie, und das hat sich auch die Landesregi­erung vorgenomme­n, wie Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) sagte.

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FOTO: MAAS/BOSCH Bei Bosch in Homburg ist Industrie 4.0 längst Alltag. Mensch und Roboter arbeiten dort zusammen.

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