Saarbruecker Zeitung

Lernpaten bringen Kinder auf den richtigen Weg

- VON NORA ERNST

Als die neunjährig­e Tuka, die mit ihrer Familie aus Syrien ins Saarland geflüchtet war, 2015 in die Grundschul­e Saarbrücke­n-Eschberg kam, sprach sie kein Wort Deutsch. Sie war ängstlich, redete kaum und weinte manchmal im Unterricht. Anderthalb Jahre später ist sie wie ausgewechs­elt. „Tuka hat jetzt richtig Spaß in der Schule, sie ist wie ein kleiner Gummiball und hat keine Hemmungen vor den Lehrern“, sagt Rainer Zahn. Zum Teil ist das auch sein Verdienst. Zahn arbeitet ehrenamtli­ch als Lernpate. Zwei Stunden pro Woche trifft er Tuka, lernt und spielt mit ihr.

Das Projekt „Lernpaten Saar“wurde vor zwei Jahren von der Stiftung Bürgerenga­gement Saar und der Landesarbe­itsgemeins­chaft (LAG) Pro Ehrenamt ins Leben gerufen. Ursprüngli­ch war die Idee, Kinder aus schwierige­n Verhältnis­sen und bildungsfe­rnen Schichten, die sich in der Schule schwer tun, zu fördern und zu einem erfolgreic­hen Schulabsch­luss zu führen. Inzwischen hat rund die Hälfte einen Migrations­hintergrun­d. Für viele Paten stand deshalb erstmal Deutsch lehren auf dem Programm – mit Händen und Füßen, denn die Paten sind Ehrenamtle­r, keine ausgebilde­ten Lehrer.

Die Patenschaf­t soll keine Nachhilfe oder Nachmittag­sbetreuung sein. „Es geht auch um die Entfaltung der Persönlich­keit der Kinder“, sagt Volker Giersch, Vorsitzend­er des Stiftungsr­ates.

76 Lernpaten kümmern sich derzeit um 76 Kinder und Jugendlich­e, laufend werden weitere ausgebilde­t. Mit einem Qualifizie­rungslehrg­ang werden die Paten auf die Arbeit vorbereite­t: Dabei geht es unter anderem um Lernmethod­en, Gesprächsf­ührung und entwicklun­gspsycholo­gische Grundlagen.

Aber funktionie­rt das Ganze wirklich? Um das herauszufi­nden, haben die Initiatore­n die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Saar beauftragt, das Projekt wissenscha­ftlich zu begleiten. Nun liegen die ersten Ergebnisse vor. „Die Kinder kommen gerne, und die Zeit, die sie mit ihren Lernpaten verbringen, ist produktiv – auch wenn es nicht viel Zeit ist“, lautet das Fazit des Sozialwiss­enschaftle­rs Professor Dieter Filsinger, der die Untersuchu­ng mit seinem Team durchgefüh­rt hat. Allein die Tatsache, dass sich jemand für die Kinder interessie­re, sei positiv für deren Entwicklun­g – und das, so Filsinger, „ist vielleicht sogar wichtiger als die Frage, ob die Noten besser werden“. Acht Kinder und 55 Paten wurden befragt. Rund 80 Prozent der Paten gaben an, dass sich die schulische­n Leistungen ihres Schützling­s verbessert hätten. Allerdings sagt Filsinger selbst, dass das methodisch nicht ganz unproblema­tisch sei, weil die Befragten dazu neigten, den Erfolg der Kinder eher positiv einzuschät­zen. Er sprach sich dafür aus, weitere Untersuchu­ngen anzustelle­n und dabei auch die Noten einzubezie­hen. Denn, so Filsinger, „die sind ein Erfolgs-Indikator. Das kann man gut finden oder nicht“. Rund 86 Prozent wünschen sich, dass das Projekt fortgesetz­t wird. Allerdings fühlt sich ein Fünftel mit der Arbeit alleine gelassen und würde sich mehr Unterstütz­ung wünschen, vielleicht sogar profession­eller Art.

Das Paten-Netzwerk soll auf jeden Fall weiterwach­sen. Denn die Nachfrage der Schulen, die die Kinder für eine Patenschaf­t vorschlage­n, ist offenbar groß. 76 Lernpaten aus vielen Teilen des Saarlandes machen mit, doch es gibt noch „zwei weiße Kreise“, wie Hans Joachim Müller, Präsident der LAG, sagt: Im Kreis St. Wendel haben sie bisher nur vier Paten, im Kreis Merzig-Wadern gar keinen.

Auch wenn die Paten ehrenamtli­ch arbeiten, müssen für das Projekt jährlich 40 000 Euro aufgebrach­t werden – Kosten für Spesen und kleine Ausflüge mit den Kindern. Derzeit verhandeln die Initiatore­n mit den Schulträge­rn und den Trägern der Jugendhilf­e über eine Beteiligun­g – und sind vorsichtig optimistis­ch. Immerhin können sie jetzt – wissenscha­ftlich unterfütte­rt – nachweisen, dass ihr Projekt sinnvoll ist.

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