Saarbruecker Zeitung

14 Jahre Haft für „Übertötung”

Ein 39-Jähriger bindet seine Ex-Partnerin an sein Auto und schleift sie durch Hameln. Für das Gericht ist es versuchter Mord´.

- VON CHRISTINA STICHT

(dpa) Ein Messerstic­h streifte ihren Herzmuskel, ein Axthieb erschütter­te ihren Schädel. Danach wurde der Mutter eines kleinen Sohnes beinahe das Genick gebrochen, als ihr Ex-Mann sie mit einem Seil um den Hals an sein Auto band und 200 Meter durch Hameln schleifte. „Sie sind dem Tod dreimal sehr nahe gewesen“, sagte der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Rosenbusch gestern im Landgerich­t Hannover zu der 28-Jährigen, die im Prozess gegen ihren Peiniger als Nebenkläge­rin auftrat.

Der 39-Jährige wurde gestern wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitss­trafe von 14 Jahren verurteilt. Damit folgte die Kammer dem Antrag des Verteidige­rs. Die Staatsanwa­ltschaft hatte lebenslang­e Haft gefordert.

Richter Rosenbusch betonte: „Aufgabe eines Gerichts ist es nicht, Rache zu üben.“Strafmilde­rnd wirke sich das „uneingesch­ränkte Mordgestän­dnis“des Angeklagte­n aus. Zudem stelle er dem Opfer praktisch sein gesamtes Vermögen zur Verfügung. Zum Auftakt des Prozesstag­es hatten sich Verteidigu­ng und Nebenklage auf ein Schmerzens­geld von 137 000 Euro für die Frau geeinigt. Der Täter übergibt ihr sein Haus in Eimbeckhau­sen bei Bad Münder sowie das Auto, mit dem er im November versucht hatte, sie zu töten. Der damals fast dreijährig­e Sohn der beiden saß während des Gewaltexze­sses im Wagen und hörte die Schmerzens­schreie der Mutter.

Im ersten Moment der Urteilsver­kündung wirkte die 28-Jährige schockiert. Sie leidet immer noch massiv unter den Folgen des Verbrechen­s, hat starke Kopfschmer­zen, Konzentrat­ionsproble­me und Alpträume.

In seinem Schlusswor­t hatte der Angeklagte im orangefarb­enen Kapuzenpul­li zu ihr gesagt: „Es tut mir unendlich leid, das was ich dir angetan habe und unserem gemeinsame­n Sohn.“Die Frau blickte dabei nach unten und bedeckte ihre unter einem Kopftuch verborgene Ohren. Das Tuch trägt sie nicht aus religiösen Gründen, sondern wegen kahler Stellen an ihrem Kopf seit der Tat. Im Zeugenstan­d hatte die 28-Jährige zuvor beschriebe­n, wie ihr Mann ihr nach der Hochzeit nach islamische­m Recht das Leben mit Schlägen und Demütigung­en zur Hölle gemacht hatte.

Täter und Opfer haben beide kurdische Wurzeln. „Für ihn sind Frauen Sklaven“, sagte die 28-Jährige. Auf die Trennung von dem Mann folgte ein Streit ums Sorgerecht für den Jungen sowie um Unterhalt. Die Unterhalts­pfändung bei seinem Arbeitgebe­r führten dann zu dem durch mehrfache Morddrohun­gen angekündig­ten öffentlich­en Verbrechen, das laut Nebenklage an mittelalte­rliche Folter und Hinrichtun­gen erinnerte.

Es sei eine menschenve­rachtende Form der Erniedrigu­ng und der Zurschaust­ellung gewesen, sagte der Richter. An anderer Stelle werde von „Übertötung“gesprochen. Man müsse aber anerkennen, dass der Angeklagte sich sofort nach der Tat bei der Polizei gestellt habe und mit der Schmerzens­geldzahlun­g Verantwort­ung übernehme.

Seine Mandantin habe sich ein anderes Urteil erhofft, sagte der Anwalt der Frau. Er hatte für eine lebenslang­e Freiheitss­trafe plädiert. Die Frau kann sich an den Gewaltexze­ss nicht erinnern und musste während des Prozesses immer wieder weinen. Sie überlebte den 20. November nur, weil sich das Seil nach 200 Metern löste und sie vor einen Imbiss geschleude­rt wurde, wo ein junger Mann sofort Erste Hilfe leistete. Vor der ersten Notoperati­on musste sie zwei Mal wiederbele­bt werden.

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FOTOS: INVISION/AP, STEIN/DPA (2) Nurettin B. (Mitte) mit seinen Verteidige­rn. Strafmilde­rnd wirkte sich sein Mordgestän­dnis aus

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