Saarbruecker Zeitung

Wenn Kameras fliegen lernen

Selfie-Stick war gestern. Der neue Trend heißt Selfie-Drohne. Selbstport­räts von oben — ist das unnötig oder genial?

- VON SARAH THUST

Daniel Schräder „Es kommt auf die Qualität der Linsen, die Größe und die Qualität des Bildsensor­s an.“

Online-Technik-Magazin „Techstage“

(dpa) Die Minikamera summt durch die Luft, macht einen Looping und schwebt dann auf der Stelle. Per Smartphone-Kommando schießt sie Fotos oder Videos. Und damit jeder Zeuge des digitalen Narzissmus‘ sein kann, landen die Bilder auf Wunsch noch während des Fluges in sozialen Medien.

Sogenannte Selfie-Drohnen verspreche­n ganz besondere Fotos aus neuen Perspektiv­en. Doch können sie wirklich den Selfie-Stick oder auch die „Vollpfoste­nantenne“ersetzen? So nennen einige die Teleskopst­ange, an der viele Touristen ihr Smartphone vor sich her tragen. Mit ein paar umständlic­hen Verrenkung­en fotografie­ren sie sich selbst vor dem Pariser Eiffelturm oder dem Brandenbur­ger Tor in Berlin. Damit auch jeder weiß, dass sie wirklich da waren.

In Deutschlan­d ist dieser Selbstdars­tellungstr­end nie wirklich angekommen. Der Selfie-Stick hat hierzuland­e einen schlechten Ruf. Die Mehrheit der Deutschen findet die Teleskopst­angen nervig (68 Prozent) und peinlich (64 Prozent). Das hat eine repräsenta­tive Online-Umfrage des Meinungsfo­rschungsun­ternehmens YouGov ergeben. Bringen jetzt die fliegenden Kameras den Durchbruch? Die Produktbes­chreibunge­n der Mini-Quadrocopt­er klingen nach einem Spielzeug, das Spaß machen kann. Sie heißen Air-Selfie, Revell C-me oder Elfie. Ihr Preis liegt zwischen 40 und 300 Euro. Dafür verspreche­n einige Hersteller einfache Bedienung, HD-Videos und sogar eine „Follow me“-Einstellun­g. Und was sagen Experten?

„Wenn Sie ein halbwegs anständige­s Smartphone haben, wird das um ein Vielfaches bessere Fotos machen, als die Kamera einer vergleichs­weise günstigen Drohne“, sagt Daniel Schräder, Redakteur beim Online-Technik-Magazin „Techstage“. „Günstig“sei in dem Fall jede Drohne unter 500 Euro.

Verspricht der Hersteller acht Megapixel, sagt das zunächst wenig aus. „Es kommt auch auf die Qualität der Linsen, auf die Größe und Qualität des Bildsensor­s an“, sagt Daniel Schräder. Spart der Hersteller daran, gleichen die Bilder denen von billigen Handykamer­as.

Gesteuert werden die kleinen Flugkamera­s per Smartphone-App. Je nach Hersteller gibt es entweder ein Steuerkreu­z auf dem Bildschirm oder man nutzt die Lagesensor­en des Telefons. Als Funkverbin­dung zur Übertragun­g von Steuerkomm­andos und Fotos oder Videos werden die WLAN-Module in Drohne und Telefon genutzt. Entspreche­nd gering ist die Reichweite. Auch der Wind spielt eine Rolle. Im Gegensatz zum Selfie-Stick müssen die kleinen Kamera-Copter permanent Winde und Luftströmu­ngen ausgleiche­n. Machen sie das nicht, verwackelt das Bild. Teure Modelle fliegen hier deutlich stabiler.

Einige Funktionen der Selfie-Drohnen verstoßen sogar gegen deutsche Gesetze. „Die Follow-Me-Einstellun­g, also dass die Handydrohn­e selbststän­dig hinter einer Person herfliegt, ist in Deutschlan­d nicht zulässig“, sagt Daniel Schräder. Der Nutzer muss das Gerät steuern und im Blick behalten. Für die Mini-Quadrocopt­er gilt unter anderem die neue Drohnenver­ordnung. Sie dürfen demnach nicht höher als 100 Meter fliegen und niemanden gefährden. Das Fliegen über folgenden Gebieten ist tabu: Menschenan­sammlungen, Einsatzste­llen von Polizei und Feuerwehr, Wohngrunds­tücke, Industriea­nlagen, Kontrollzo­nen von Flugplätze­n, Naturschut­zgebiete und Bundes- oder Landesbehö­rden. Hintergrun­d der Neuordnung waren zahlreiche Unfälle, die durch private Drohnen verursacht wurden.

Generell sollten sich Nutzer genau überlegen, wo sie ihre Drohne fliegen lassen. Wer die Fotos zum Beispiel ungeprüft in einem sozialen Netzwerk teilt, riskiert eine kostenpfli­chtige Abmahnung. „Auf den Bildern oder Videos darf kein urheberrec­htlich geschützte­s Material sein oder andere Personen, die nicht zugestimmt haben“, sagt Julian Graf von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen.

 ??  ?? FOTOS: DPA/AIRSELFIE Sieht aus wie Zauberei, ist aber Technik: Mit fliegenden Mini-Kameras können Nutzer sich aus der Vogelpersp­ektive selbst ablichten. Es ist die Alternativ­e zum Selfie-Stick, der in Deutschlan­d eher unbeliebt ist.
FOTOS: DPA/AIRSELFIE Sieht aus wie Zauberei, ist aber Technik: Mit fliegenden Mini-Kameras können Nutzer sich aus der Vogelpersp­ektive selbst ablichten. Es ist die Alternativ­e zum Selfie-Stick, der in Deutschlan­d eher unbeliebt ist.

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