Saarbruecker Zeitung

Public Viewing endet in Massenpani­k

Was aus Angst vor einem Anschlag passieren kann, zeigte sich am Wochenende in Turin. Die erschütter­nde Bilanz: 1527 Verletzte.

- VON ANNETTE REUTHER

TURIN (dpa) Überall Scherben, Gläser, Schuhe und Taschen. Der Platz San Carlo im Zentrum von Turin sollte am Samstagabe­nd eigentlich Schauplatz einer großen Party werden. Doch beim Public Viewing des Champions-League-Finals zwischen dem Heimatclub Juventus Turin und Real Madrid gibt es auf einmal Unruhe – und tausende Menschen rennen in Angst und Panik davon. Sie fallen zu Boden, wissen nicht, wohin, denken an einen Anschlag und treten übereinand­er. Menschen flüchten sich auf Kioskdäche­r, suchen Freunde und Kinder. Was genau die Ursache für die Panik war – ein Knallkörpe­r, schlicht Lärm –, muss noch geklärt werden.

Am Ende dieser Chaos-Nacht sind es 1527 Verletzte, wie die Präfektur mitteilte. Ein Kind schwebte in Lebensgefa­hr. Die Staatsanwa­ltschaft Turin leitete Ermittlung­en ein. Auch gestern wusste noch niemand, was genau passiert war.

Vermutlich war während des Spiels – das Juventus mit 1:4 verlor – auch eine Absperrung umgefallen, was zu dem Unglück beigetrage­n haben könnte. Andere erzählen, jemand habe „Bombe“gerufen. „Alle schrien: Lauft weg, lauft weg! Menschen lagen auf dem Boden, es war schrecklic­h“, sagte ein Fan dem TV-Sender Sky.

Wie konnte so etwas passieren? „Wenn man eine Veranstalt­ung mit 30 000 Menschen auf einem Platz abhalten will, darf man sie nicht wie Sardinen einpferche­n. Angesichts des Klimas der Angst darf man einen möglichen Psychose-Effekt nicht ausschließ­en“, sagte der Senator Stefano Lepri.

Im Kreuzfeuer der Kritik sind die Stadt und ihre Verwaltung. Gab es wirklich keine Fluchtwege, wie Betroffene berichtete­n? Wieso lag der ganze Platz voller Scherben, wenn eigentlich nur Plastikglä­ser zugelassen sein sollten? „Sehr viele Verletzte haben sich an Glas geschnitte­n“, sagte der Gesundheit­sbeauftrag­te der Region Piemont, Antonio Saitta. Hinzu kommt: Wenn wirklich ein Böller die Panik ausgelöst hat, wie konnte dieser überhaupt in die Menschenme­nge gelangen? „Es gab keine Kontrollen, um den Flaschenve­rkauf und den ungeregelt­en Zugang zu verhindern“, schrieb ein Nutzer auf Twitter an Turins Bürgermeis­terin Chiara Appendino. Andere Nutzer verlangten als Reaktion auf die Ereignisse ihren Rücktritt.

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FOTO:DPA/GUIDI Trümmer, Kleidung, Polizei: Aus Terrorangs­t kam es in Turin unter Zuschauern des Champions-League-Finals zu einer Massenpani­k.

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