Saarbruecker Zeitung

Macht Minister Maas Masse statt Klasse?

ANALYSE Es wird eng für Heiko Maas: Mehrere Gesetze will der Justizmini­ster bis September noch durchpeits­chen. Doch Kritikern ist der Saarländer zu fix.

- VON WERNER HERPELL

BERLIN (dpa) Zunächst die gute Nachricht: In der bald zu Ende gehenden Legislatur­periode war Heiko Maas offenbar der fleißigste Minister der schwarz-roten Bundesregi­erung – wenn man nach der Zahl seiner Gesetzentw­ürfe geht. Mit 95 Vorlagen für das Kabinett ist das Justizmini­sterium Spitzenrei­ter, heißt es laut Redaktions­netzwerk Deutschlan­d in einer Regierungs­statistik. Kritiker warnen jedoch schon länger: Bei Maas ist Masse nicht automatisc­h Klasse.

Auf der Zielgerade­n droht dem SPD-Mann nun die Puste auszugehen. Drei umstritten­e Projekte will der selbstbewu­sste, eloquente und stets makellos gekleidete Saarländer noch in dieser Wahlperiod­e unter Dach und Fach bringen, notfalls wohl im Hauruck-Verfahren: Gesetze gegen Hass und Hetze im Internet, zum Urheberrec­ht in der Wissenscha­ft und gegen Wohnungsei­nbrüche. Die Zeit ist knapp angesichts von nur noch drei Sitzungswo­chen des Bundestags. Mit Ablauf der Legislatur­periode im September wären die Entwürfe nichtig, auf gut Deutsch: Altpapier.

Besonders brisant sind Maas’ Vorstellun­gen zu „Hate Speech“. Per „Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz“will er Soziale Netzwerke zwingen, hasserfüll­te und hetzerisch­e Beiträge schnell zu entfernen. Facebook und Co. bekommen Löschfrist­en aufgebrumm­t. Eindeutig strafbare Inhalte sollen binnen 24 Stunden getilgt werden, in komplizier­teren Fällen bleiben sieben Tage. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro. Nicht nur Facebook wehrt sich.

Auch Wirtschaft­sverbände, Juristen, Netzaktivi­sten, Journalist­en und Nichtregie­rungsorgan­isationen warnen Maas vor Gefahren für die Meinungsfr­eiheit und einer Privatisie­rung

„Der Rechtsstaa­t wird

von ihm nicht verteidigt, sondern

geschleift.“

Renate Künast (Grüne)

über Maas’ Gesetzesin­itiativen

der Rechtsdurc­hsetzung. „Im Gesetzentw­urf fehlt zum Beispiel eine Definition, was bei Posts im Netz ,offensicht­lich rechtswidr­ig’ oder nur erlaubte Schmähkrit­ik ist“, sagt die grüne Vorsitzend­e des Bundestags-Rechtsauss­chusses, Renate Künast. Vom Verband für Internetwi­rtschaft (eco) heißt es: „Gründlichk­eit muss vor Schnelligk­eit gehen.“Das könnte nun auch für Maas‘ Gesetzentw­urf gelten, obwohl der in Teilen nachjustie­rt wurde. Im Bundestag hat der 50-Jährige nicht nur die Opposition aus Linken und Grünen gegen sich, sondern zunehmend auch den Koalitions­partner. Ein CDU-Abgeordnet­er fragte jetzt laut „Focus“beim Wissenscha­ftlichen Dienst des Bundestage­s nach. Die Sachverstä­ndigen kamen in ihrem Gutachten demnach zu dem Ergebnis, dass Maas‘ Entwurf gegen Grundgeset­z und Europarech­t verstoße.

Zwar sagt eine Maas-Sprecherin pflichtgem­äß: „Unsere Gesetze werden im Haus selbstvers­tändlich auf Konformitä­t mit Verfassung und Europarech­t geprüft.“Doch juristisch­e Zweifel kommen längst von verschiede­nen Seiten. Der Vize-Fraktionsc­hef der Union im Bundestag, Arnold Vaatz: „Heiko Maas hat – zum wiederholt­en Male – handwerkli­ch nicht sauber gearbeitet und ein unausgerei­ftes Gesetz vorgelegt.“

Eine breite Front hat sich auch gegen Maas‘ Reform des Urheberrec­hts für die Wissenscha­ft gebildet. Während die Hochschule­n applaudier­en, etwa weil künftig keine Einzelabre­chnungen von Online-Lehrmateri­al festgeschr­ieben werden, laufen Autoren und Verlage Sturm.

Am wenigsten Sorgen muss sich Maas um sein Gesetz gegen Wohnungsei­nbrüche machen. Der zuletzt noch verschärft­e Entwurf wurde bei der ersten Lesung nur von der Opposition zerpflückt. Datenschüt­zer sehen aber gleichfall­s kritisch, dass Einbrüche in Privatwohn­ungen damit auf die Liste jener Delikte kommen, bei denen Ermittler die Vorratsdat­enspeicher­ung nutzen dürfen. Bislang ist das nur bei Straftaten möglich. Auch das lässt für Renate Künast nur ein Urteil über den Verfassung­sminister zu: „Der Rechtsstaa­t wird von ihm nicht verteidigt, sondern geschleift.“

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