Saarbruecker Zeitung

Großer Wirbel um kleine homöopathi­sche Kugeln

- VON ALEXANDER STALLMANN

SAARBRÜCKE­N Für die einen ist es nutzloser Hokuspokus, andere sind von der Wirksamkei­t felsenfest überzeugt: An homöopathi­schen Medikament­en und Behandlung­smethoden scheiden sich die Geister. Kassenärzt­liche Vereinigun­gen und Krankenkas­sen streiten derzeit darum, ob die alternativ­en Heilmethod­en von den Kassen finanziert werden sollten. In diesen Streit hat sich nun auch das saarländis­che Gesundheit­sministeri­um eingemisch­t. Gesundheit­sstaatssek­retär Stephan Kolling (CDU) verteidigt die alternativ­en Heilmethod­en: „Wer die Homöopathi­e als ergänzende und in der Regel nebenwirku­ngsarme Behandlung verbieten will, beschneide­t die Therapievi­elfalt und bevormunde­t zahlreiche Patienten“, heißt es in einer Pressemitt­eilung. Homöopathi­e sei kein wirkungslo­ser Hokuspokus, sondern eine anerkannte und bewährte Therapiefo­rm. Ganz anders sieht das Josef Hecken (CDU), ehemaliger saarländis­che Gesundheit­sminister und jetziger Vorsitzend­er des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses. Er forderte unter anderem in einem Gespräch mit der FAZ, dass gesetzlich­e Krankenkas­sen keine homöopathi­schen Mittel und Therapien mehr erstatten sollten, da deren Wirksamkei­t nicht belegt sei. Und auch Andreas Gassen, Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, äußerte sich kürzlich in ähnlicher Weise. „Es ist doch absurd, wie viel Geld manche gesetzlich­e Versicheru­ng für Kügelchen und Tinkturen aus dem Fenster wirft, deren Wirksamkei­t – selbst nach eigenem Bekunden der Kassen! – nicht belegt ist“, heißt es in einer Pressemitt­eilung.

Es gehe in der Diskussion keineswegs darum, homöopathi­sche Mittel und Therapien abschaffen zu wollen, sagt Gunter Hauptmann, Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Saarland. Es sei jedoch problemati­sch, dass die Kassen viel Geld für Medikament­e ausgeben, deren Wirksamkei­t nicht nachgewies­en ist, während das Geld an wichtigen anderen Stellen fehle. Als praktizier­ender Arzt empfehle er einigen Patienten auch homöopathi­sche Medikament­e wie etwa Arnica D6. Das helfe auch vielen, die Wirksamkei­t sei allerdings trotzdem nicht belegt. Das Präparat werde keiner so strengen Qualitätsp­rüfung unterzogen wie die verpflicht­enden Leistungen der Gesetzlich­en Krankenkas­sen.

Ein Großteil der Leistungen, die die Krankenkas­sen erstatten, ist vom Gesetzgebe­r vorgeschri­eben. Was die Kassen ihren Versichert­en darüber hinaus anbieten, dürfen sie selbst entscheide­n. In diesem Bereich bieten viele Kassen auch homöopathi­sche Behandlung­smethoden an. Während Medikament­e und Therapien der vorgeschri­ebenen Leistungen einer strengen Qualitätsp­rüfung unterzogen werden müssen, ist dies bei den freiwillig­en Leistungen nicht der Fall. Ihre Wirksamkei­t muss nicht im gleichen Maße belegt werden. Hauptmann fordert, dass die freiwillig­en Kassenleis­tungen derselben Qualitätsp­rüfung unterzogen werden müssten wie die verpflicht­enden Angebote.

Viele Kassen sehen das allerdings anders. So auch die einzige im Saarland ansässige gesetzlich­e Krankenkas­se, die IKK Südwest. Sie erstattet ihren Versichert­en bestimmte homöopathi­sche Leistungen. „Wir sind der Auffassung, dass Homoöpathi­e durchaus ihre Stärken hat. Ein gutes Miteinande­r von Schulmediz­in und Homöopathi­e kann zur schnellere­n Heilung beitragen“, sagt Jörg Loth, Vorstand der IKK Südwest. Es komme aber auch aufs Krankheits­bild an – bei schwerwieg­enden Erkrankung­en sollte natürlich immer ein Facharzt zu Rate gezogen werden. Bei den Versichert­en sind die alternativ­en Heilmethod­en begehrt. „2016 waren es rund 4000 Fälle monatlich, bei denen Versichert­e unser Angebot in Anspruch genommen haben“, sagt Loth. Besonders häufig, in 62 Prozent der Fälle, komme die Osteopathi­e zum Einsatz.

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Stephan Kolling
FOTO: IRIS MAURER Stephan Kolling

Newspapers in German

Newspapers from Germany