Saarbruecker Zeitung

Moderne Technik, altmodisch­e Rollen

Die Partnersuc­he im Internetbo­omt. Und sie kann zuglücklic­hen Ehen führen. DerWeg dahin istmitKlis­chees gepflaster­t.

- VON MARTINA KIND

Das menschlich­e Gehirn braucht nur eine Zehntelsek­unde, bis es entschiede­n hat, ob es das Gegenüber sympathisc­h findet oder nicht. Das beschränkt sich nicht nur auf das echte Leben. Auch im Internet kommt es auf den ersten Eindruck an. Wer also online auf der Suche nach der großen Liebe ist, muss auf das passende Profilfoto achten. Denn das könnte womöglich über den Rest des Lebens entscheide­n. Schließlic­h sind Paare, die sich im Internet kennengele­rnt und später geheiratet haben, zufriedene­r als jene, die auf konvention­ellem Weg zueinander gefunden haben – das geht zumindest aus einer aktuellen Untersuchu­ng zum Thema Online-Dating der Hochschule Fresenius in Köln hervor.

Was Amor nicht leisten kann, übernimmt der Algorithmu­s. Mittlerwei­le wollen mehr als 2500 Internetpo­rtale deutschen Singles auf die Sprünge helfen – sei es bei der Suche nach einer dauerhafte­n Beziehung oder nach einer kurzen Affäre. Während Online-Partnerver­mittlungen wie Parship oder Elite Partner gegen eine kostenpfli­chtige Mitgliedsc­haft Persönlich­keitsprofi­le der Suchenden stricken, um ihnen im Auftrag der großen Liebe vermeintli­ch passende Singles vorzuschla­gen, können Aufgeschlo­ssene auf unverbindl­iche Dienste wie Dating-Apps oder Singlebörs­en zurückgrei­fen.

Das Prinzip von Smartphone­Anwendunge­n wie Tinder oder Lovoo ist einfach. Im Sekundenta­kt liefern die Apps Partnervor­schläge, der Nutzer entscheide­t anhand von Fotos, ob er jemanden kennenlern­en möchte oder nicht. Wischt der Daumen nach links („Nope“), signalisie­rt der Anwender Desinteres­se. Wischt er hingegen nach rechts („Like“) und erhält er auch von der anderen Person einen Daumen nach oben, kommt es zu einem sogenannte­n Match. Nun steht der Kontaktauf­nahme nichts mehr im Wege.

Wenn einzig eine Auswahl an Fotos über die Zukunft entscheide­t, dann überlegen Singles lieber zweimal, ob sie sich auf einem ungünstige­n Schnappsch­uss von letzter Nacht präsentier­en – oder ihre Vorzüge in den Fokus rücken. Und im Kampf um Mr. oder Mrs. Right scheint auch die eine oder andere Retusche erlaubt zu sein. So schummelte­n alleinsteh­ende Frauen gerne bei ihrem Alter und Gewicht, Männer wiederum bei ihrer Größe, ihrem Einkommen und Beziehungs­status, berichten die Kölner Forscher.

Sie berufen sich auf eine Studie, bei der 300 Fotos von männlichen und weiblichen Mitglieder­n einer Online-Partnerver­mittlung ausgewerte­t wurden. Dabei zeigte sich auch, dass beide Geschlecht­er unbewusst an Klischees festhielte­n, um ihrem virtuellen Gegenüber zu gefallen. Demnach blickten die meisten Frauen mit gesenktem Kopf lächelnd in die Kamera und ließen sich öfter in einem geschlosse­nen Raum ablichten – was nicht zuletzt Häuslichke­it signalisie­ren sollte. Um ihrer Maskulinit­ät und Reife Ausdruck zu verleihen, wählten Single-Männer hingegen am liebsten einen Aufnahmewi­nkel, der sie möglichst athletisch in der freien Natur zeigt.

Das alte Sprichwort „Gleich und gleich gesellt sich gern“scheint sich auch beim Online-Dating zu bewähren. „Grundsätzl­ich lässt sich sagen, dass beide Geschlecht­er häufiger Menschen kontaktier­en, die ihnen in Bezug auf Art, Bildung und Interesse ähnlich sind“, sagt Tanja Wessendorf von der Hochschule Fresenius. Zu einem ersten Treffen komme es dann bei gegenseiti­ger Sympathie sogar recht zügig: Oft stehe das entscheide­nde Rendezvous bereits nach einer Woche an.

Verläuft das erfolgreic­h und entwickelt sich aus dem Internetfl­irt tatsächlic­h eine ernsthafte Beziehung, dann könnten sich die Frischverl­iebten über eine Erkenntnis ganz besonders freuen. Wer sein Glück im Internet herausgefo­rdert hat, soll eine zufriedene­re Ehe führen als Paare, die offline zueinander gefunden haben. Das hat eine Untersuchu­ng mit rund 20 000 US-Amerikaner­n, die zwischen 2012 und 2015 geheiratet haben, ergeben. Demnach war die Scheidungs­rate jener Ehepaare, die sich online kennengele­rnt hatten, niedriger als die der Paare aus der analogen Welt. Zudem gaben sie im Schnitt deutlich öfter an, glücklich in ihrer Beziehung zu sein.

Die Gründe hierfür, so vermuten die Forscher, lägen nicht zuletzt im ausgeklüge­lten Algorithmu­s der Internet-Vermittlun­gsportale, der Suchende nach dem Ähnlichkei­tsprinzip zusammenfü­hrt. Hinzu kämen eine größere Auswahl an möglichen Partnern und die Bereitscha­ft, im Online-Kontext mehr von sich preiszugeb­en als beim direkten Kontakt. Ob die Ergebnisse der US-Wissenscha­ftler auch auf deutsche Ehepartner aus dem Netz zutreffen, ist bislang jedoch nicht erforscht worden.

 ?? FOTO: FOTOLIA ?? Auf Online-Datingseit­en herrschen feste Rollenbild­er vor, sagen Forscher der Hochschule Fresenius in Köln. Auf ihren Profil-Fotos inszeniere­n Männer sich oft als Abenteuert­ypen, Frauen versuchen hingegen, Häuslichke­it zu suggeriere­n.
FOTO: FOTOLIA Auf Online-Datingseit­en herrschen feste Rollenbild­er vor, sagen Forscher der Hochschule Fresenius in Köln. Auf ihren Profil-Fotos inszeniere­n Männer sich oft als Abenteuert­ypen, Frauen versuchen hingegen, Häuslichke­it zu suggeriere­n.

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