Moderne Technik, altmodische Rollen
Die Partnersuche im Internetboomt. Und sie kann zuglücklichen Ehen führen. DerWeg dahin istmitKlischees gepflastert.
Das menschliche Gehirn braucht nur eine Zehntelsekunde, bis es entschieden hat, ob es das Gegenüber sympathisch findet oder nicht. Das beschränkt sich nicht nur auf das echte Leben. Auch im Internet kommt es auf den ersten Eindruck an. Wer also online auf der Suche nach der großen Liebe ist, muss auf das passende Profilfoto achten. Denn das könnte womöglich über den Rest des Lebens entscheiden. Schließlich sind Paare, die sich im Internet kennengelernt und später geheiratet haben, zufriedener als jene, die auf konventionellem Weg zueinander gefunden haben – das geht zumindest aus einer aktuellen Untersuchung zum Thema Online-Dating der Hochschule Fresenius in Köln hervor.
Was Amor nicht leisten kann, übernimmt der Algorithmus. Mittlerweile wollen mehr als 2500 Internetportale deutschen Singles auf die Sprünge helfen – sei es bei der Suche nach einer dauerhaften Beziehung oder nach einer kurzen Affäre. Während Online-Partnervermittlungen wie Parship oder Elite Partner gegen eine kostenpflichtige Mitgliedschaft Persönlichkeitsprofile der Suchenden stricken, um ihnen im Auftrag der großen Liebe vermeintlich passende Singles vorzuschlagen, können Aufgeschlossene auf unverbindliche Dienste wie Dating-Apps oder Singlebörsen zurückgreifen.
Das Prinzip von SmartphoneAnwendungen wie Tinder oder Lovoo ist einfach. Im Sekundentakt liefern die Apps Partnervorschläge, der Nutzer entscheidet anhand von Fotos, ob er jemanden kennenlernen möchte oder nicht. Wischt der Daumen nach links („Nope“), signalisiert der Anwender Desinteresse. Wischt er hingegen nach rechts („Like“) und erhält er auch von der anderen Person einen Daumen nach oben, kommt es zu einem sogenannten Match. Nun steht der Kontaktaufnahme nichts mehr im Wege.
Wenn einzig eine Auswahl an Fotos über die Zukunft entscheidet, dann überlegen Singles lieber zweimal, ob sie sich auf einem ungünstigen Schnappschuss von letzter Nacht präsentieren – oder ihre Vorzüge in den Fokus rücken. Und im Kampf um Mr. oder Mrs. Right scheint auch die eine oder andere Retusche erlaubt zu sein. So schummelten alleinstehende Frauen gerne bei ihrem Alter und Gewicht, Männer wiederum bei ihrer Größe, ihrem Einkommen und Beziehungsstatus, berichten die Kölner Forscher.
Sie berufen sich auf eine Studie, bei der 300 Fotos von männlichen und weiblichen Mitgliedern einer Online-Partnervermittlung ausgewertet wurden. Dabei zeigte sich auch, dass beide Geschlechter unbewusst an Klischees festhielten, um ihrem virtuellen Gegenüber zu gefallen. Demnach blickten die meisten Frauen mit gesenktem Kopf lächelnd in die Kamera und ließen sich öfter in einem geschlossenen Raum ablichten – was nicht zuletzt Häuslichkeit signalisieren sollte. Um ihrer Maskulinität und Reife Ausdruck zu verleihen, wählten Single-Männer hingegen am liebsten einen Aufnahmewinkel, der sie möglichst athletisch in der freien Natur zeigt.
Das alte Sprichwort „Gleich und gleich gesellt sich gern“scheint sich auch beim Online-Dating zu bewähren. „Grundsätzlich lässt sich sagen, dass beide Geschlechter häufiger Menschen kontaktieren, die ihnen in Bezug auf Art, Bildung und Interesse ähnlich sind“, sagt Tanja Wessendorf von der Hochschule Fresenius. Zu einem ersten Treffen komme es dann bei gegenseitiger Sympathie sogar recht zügig: Oft stehe das entscheidende Rendezvous bereits nach einer Woche an.
Verläuft das erfolgreich und entwickelt sich aus dem Internetflirt tatsächlich eine ernsthafte Beziehung, dann könnten sich die Frischverliebten über eine Erkenntnis ganz besonders freuen. Wer sein Glück im Internet herausgefordert hat, soll eine zufriedenere Ehe führen als Paare, die offline zueinander gefunden haben. Das hat eine Untersuchung mit rund 20 000 US-Amerikanern, die zwischen 2012 und 2015 geheiratet haben, ergeben. Demnach war die Scheidungsrate jener Ehepaare, die sich online kennengelernt hatten, niedriger als die der Paare aus der analogen Welt. Zudem gaben sie im Schnitt deutlich öfter an, glücklich in ihrer Beziehung zu sein.
Die Gründe hierfür, so vermuten die Forscher, lägen nicht zuletzt im ausgeklügelten Algorithmus der Internet-Vermittlungsportale, der Suchende nach dem Ähnlichkeitsprinzip zusammenführt. Hinzu kämen eine größere Auswahl an möglichen Partnern und die Bereitschaft, im Online-Kontext mehr von sich preiszugeben als beim direkten Kontakt. Ob die Ergebnisse der US-Wissenschaftler auch auf deutsche Ehepartner aus dem Netz zutreffen, ist bislang jedoch nicht erforscht worden.