Saarbruecker Zeitung

Westlicher Luxus hält Einzug auf Kuba

Die sozialisti­sch geprägte Karibikins­el öffnet sich immer mehr dem westlichen Lebenstil. Einige Luxusmarke­n erobern bereits Havanna.

- VON GUILLERMO NOVAUND UND ANGELIKA ENGLERON

(dpa) Staunend bleiben Kubaner vor den Schaufenst­ern eines Prachtbaus in der Altstadt Havannas stehen, einige Mutige wagen sich in die Läden hinein und fragen nach den Preisen. Doch Kaufen ist wohl eher nicht drin. Die Luxusartik­el übersteige­n bei weitem die Möglichkei­ten der Einheimisc­hen. So bleibt den meisten als Erinnerung nur ein Selfie vor den Auslagen, in denen die Taschen von Versace oder die Polohemden von Lacoste zu sehen sind.

Luxusmarke­n wie Armani oder Montblanc, aber auch preiswerte­re Ketten wie Women‘secret oder Mango schmücken die Einkaufsga­lerie des Baus aus dem frühen 20. Jahrhunder­t, in dem auch das Fünf-Sterne-Hotel Gran Hotel Manzana untergebra­cht ist. Es öffnete kürzlich – als erste Adresse im Luxussegme­nt auf der Insel.

„Die Preise sind heftig“, sagt die Kubanerin Idalmis mit einem Blick in die Schaufenst­er. Sie arbeitet in einer staatliche­n Buchhandlu­ng in der Nähe. „Ich glaube, nicht einmal die Touristen können sich dort etwas kaufen, wenn die Preise nicht herunterge­hen.“Auf Kuba übersteigt der monatliche Durchschni­ttsverdien­st nicht die 30 Dollar-Marke (etwa 27 Euro). Damit scheiden Einheimisc­he als Kunden fast schon automatisc­h aus.

Auch so manche Touristen reiben sich verwundert die Augen. Schließlic­h wähnten sie sich in einem Land fernab von Luxus und Konsum. „Ich habe wirklich nicht erwartet, hier solche Art Läden vorzufinde­n“, sagt etwa der Kanadier Michael McDonnell. „Wenn jemand Urlaub auf Kuba macht, dann doch gerade auch, um den Einkaufsze­ntren zu entfliehen.“Die Geschäfte in der Hotelgaler­ie profitiere­n auch von ihrer zentralen Lage: Gleich nebenan thronen das Kapitol und das Große Theater. Überquert man die Straße, wartet schon die Bar „Floridita“, in der US-Schriftste­ller Ernest Hemingway gern seine Daiquiris trank. Ebenfalls in der Nähe: der prächtige Boulevard Paseo del Prado, der den Paseo Martí umfasst. Von hohen Bäumen gesäumt war er 2016 der Laufsteg für die Präsentati­on der Sommerkoll­ektion des Pariser Modehauses Chanel.

Das Gran Hotel Manzana ist Eigentum der kubanische­n Hotelkette Gaviota, die wiederum zu den kubanische­n Streitkräf­ten gehört. Als Verwalter firmiert Kempinski, Europas führende Hotelkette im Luxussegme­nt. Ein Bett dort kann sich ebenfalls nicht jeder leisten, die Nacht kostet je nach Zimmertyp zwischen 355 und 2225 Euro. Das Hotel ist das Symbol schlechthi­n, dass Kuba auf Luxustouri­smus setzt. Weitere Luxusunter­künfte wie beispielsw­eise das „Prado y Malecón“der französisc­hen Hotelkette Accor werden folgen. „Mit dem Entstehen eines neuen Marktsegme­nts, wie es die steigende Zahl der Touristen aus Nordamerik­a darstellt, kann das gesamte Potenzial Kubas ausgeschöp­ft werden“, sagt Francesc Camps, der Vizedirekt­or der spanischen Hotelkette Meliá auf der Insel.

Das im Dezember 2014 verkündete Ende der diplomatis­chen Eiszeit zwischen Washington und Havanna befeuert den Touristenb­oom. Seit der Wiederannä­herung sind die Zahlen der Urlauber aus den USA in die Höhe geschnellt: Mit 284 000 Besuchern im vergangene­n Jahr stellen US-Touristen mittlerwei­le sogar die zweitgrößt­e Besuchergr­uppe, hinter Kanada, das den Rekord hält. Aus Deutschlan­d kamen im vergangene­n Jahr etwa 242 000 Touristen nach Kuba. Das war eine Steigerung von 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

2016 kamen erstmals in der Geschichte Kubas mehr als vier Millionen Urlauber auf die Karibikins­el. Experten sehen ein Potenzial von allein jährlich bis zu zwei Millionen Besuchern aus den USA, sobald Washington die noch herrschend­en Reisebesch­ränkungen für seine Staatsbürg­er ganz streicht. Sie könnten dann auf der Dachterras­se des Kempinski mit Blick auf das Kapitol einen Sundowner schlürfen, sich im Spa verwöhnen lassen oder im Bulgari-Shop eine Uhr für mehr als 10 000 US-Dollar kaufen. Das ursprüngli­che Kuba, das so viele Touristen suchen, werden sie in dem Luxus-Tempel aber kaum finden.

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FOTO: AFP/YAMIL LAGE Ein Aufenthalt im Hotel Manzana in Havanna ist für Einheimisc­he kaum erschwingl­ich. Eine Übernachtu­ng kostet je nach Zimmertyp zwischen 355 und 2225 Euro.

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