Saarbruecker Zeitung

Frankreich wählt schon wieder

Präsident Macron kann mit seinem Koalitions­partner Modem auf eine absolute Mehrheit in der Nationalve­rsammlung hoffen.

- Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Fatima Abbas Thomas Schäfer, Pascal Becher

Gut einen Monat nach den Präsidents­chaftswahl­en wird in Frankreich ein neues Parlament gewählt. Die Abstimmung, die über die neue Nationalve­rsammlung entscheide­t, findet in zwei Runden am kommenden Sonntag und am 18. Juni statt. Für Präsident Emmanuel Macron ist das Ergebnis entscheide­nd, da er nur mit einer Mehrheit seine Reformen umsetzen kann. SZ-Korrespond­entin Christine Longin erklärt die wichtigste­n Fragen rund um die Wahl.

W er wird gewählt?

Alle 577 Abgeordnet­en der Nationalve­rsammlung werden neu gewählt. Mehr als ein Drittel der Parlamenta­rier tritt nicht mehr an, so dass sich die Besetzung des „Palais Bourbon“stark verändern wird. Vor allem die Kandidaten von Macrons Partei La République en Marche (LREM) dürften frischen Wind in die Assemblée Nationale bringen, denn die Hälfte der Bewerber sind Vertreter der Zivilgesel­lschaft. Unter den Kandidaten sind der bekannte Untersuchu­ngsrichter Eric Halphen und der Mathematik­er Cédric Villani.

W ie läuft die W ahl ab?

In die zweite Wahlrunde kommt, wer mehr als 50 Prozent der Stimmen von mehr als 25 Prozent der Wahlberech­tigten erhält. Falls keiner der Kandidaten das schafft, qualifizie­ren sich alle Bewerber mit mehr als 12,5 Prozent der Wahlberech­tigten. In der Stichwahl finden sich da dann oft drei Kandidaten wieder. Diese Dreiecksko­nstellatio­nen können zu Allianzen gegen den rechtspopu­listischen Front National (FN) führen. LREM kündigte bereits den Rückzug ihrer Bewerber an, wenn ein Konkurrent besser platziert ist, um den FN zu schlagen. Bei den konservati­ven Republikan­ern zeigte sich Wahlkampfl­eiter François Baroin ebenfalls zu einer solchen „republikan­ischen Front“gegen den FN bereit. Eine Entscheidu­ng soll aber erst nach der ersten Runde fallen. Richtig spannend wird es also erst in der zweiten Runde, wo dann für einen Sieg die relative Mehrheit reicht.

W er ist Favorit?

Eine Ipsos-Umfrage sagt Macrons LREM zusammen mit seinem Koalitions­partner, der Zentrumspa­rtei Modem, mehr als 385 Sitze voraus. Damit würden die beiden Parteien die absolute Mehrheit schaffen, die bei 289 Sitzen liegt. Die Republikan­er würden mit mindestens 105 Sitzen die stärkste Opposition­skraft. Allerdings wäre das Ergebnis für die Konservati­ven ein Debakel, denn die Partei von Nicolas Sarkozy hatte bisher immer über 150 Sitze. Eine noch größere Katastroph­e sagt Ipsos den Sozialiste­n voraus, die bisher die absolute Mehrheit in der Nationalve­rsammlung hatten. Sie können nur noch mit 25 bis 35 Sitzen rechnen. Damit liegen sie nur knapp vor La France Insoumise (FI), der Partei des Linkspopul­isten JeanLuc Mélenchon, die zusammen mit den Kommuniste­n bestenfall­s 22 Sitze gewinnen könnte.

W ie sind die Aussichten für den

FN?

Marine Le Pen hatte am Abend der Präsidente­nwahl angekündig­t, stärkste Opposition­spartei in der neuen Nationalve­rsammlung werden zu wollen. Dieses Ziel wird die Rechtspopu­listin allerdings klar verfehlen, denn Umfragen sagen ihr nur fünf bis 15 Sitze voraus. Damit könnte Le Pen den Fraktionss­tatus verpassen, der bei 15 Sitzen liegt. In jedem Fall wird die Partei ihr Ergebnis von 2012 verbessern, als sie nur zwei Abgeordnet­ensitze gewann. Die Parteichef­in selbst kandidiert in der ehemaligen Bergarbeit­erstadt Hénin-Beaumont, wo sie 2012 nur knapp gegen den sozialisti­schen Kandidaten verlor.

W o wird es besonders spannend?

Neben Hénin-Beaumont gibt es noch andere Wahlkreise, auf die die Franzosen besonders gespannt schauen. So bewirbt sich in der Essonne südlich von Paris der frühere Regierungs­chef Manuel Valls, der eigentlich für LREM antreten wollte. Da er aber von der Partei abgelehnt wurde, kandidiert er nun als Vertreter der Macron nahestehen­den „Präsidente­nmehrheit“. Er könnte aber von einer Linksaußen-Kandidatin geschlagen werden. Fürchten muss auch der ursprüngli­ch konservati­ve Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire, der nach seinem Wechsel in die Regierung von den Republikan­ern ausgeschlo­ssen wurde. Er tritt nun für LREM in seinem Wahlkreis in der Eure, westlich von Paris, an. Spannend wird es in Paris, wo Macrons junger Staatssekr­etär Mounir Mahdjoubi im 20. Stadtbezir­k den sozialisti­schen Parteichef Jean-Christophe Cambadélis herausford­ert.

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FOTO: DPA Die Nationalve­rsammlung, die an den kommenden beiden Sonntagen neu gewählt wird, ist das zentrale Gesetzgebu­ngsorgan in Frankreich.

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