Saarbruecker Zeitung

Türkei im Sog der Katar-Sanktionen

Ankara steht dem befreundet­en Emirat in der Krise bei – ohne Schultersc­hluss. Denn es pflegt auch enge Kontakte zu Saudi-Arabien.

- VON EZZEDINE SAID

(afp) Die Türkei betrachtet die diplomatis­che Krise zwischen Katar und mehreren arabischen Staaten mit Sorge – nicht zuletzt, weil in Ankara die Befürchtun­g besteht, selbst wegen ihrer Außenpolit­ik in Konflikt mit Saudi-Arabien und seinen Verbündete­n zu geraten. Schließlic­h zählt die Türkei ähnlich wie Katar zu den treuen Unterstütz­ern der Muslimbrud­erschaft, und sie unterhält höfliche Beziehunge­n zum Iran. Präsident Recep Tayyip Erdogan will die Krise entschärfe­n.

„Diese Krise ist äußerst ungünstig für die Türkei, da sie ebenso enge Beziehunge­n zu Katar wie zu Saudi-Arabien unterhält“, sagt Sinan Ülgen vom Center for Economics and Foreign Policy in Istanbul. Sollte Katar durch die jüngsten Sanktionen gezwungen werden, seine Außenpolit­ik auf die Linie Riads und dessen Verbündete­r zu bringen, würde dies die Beziehunge­n Ankaras zu Katar deutlich schwächen.

Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain und die Vereinigte­n Arabischen Emirate hatten am Montag in einem überrasche­nden Schritt ihre Beziehunge­n zu Katar abgebroche­n. Auch setzten sie ihre Flug-, See- und Landverbin­dungen zu dem Golfemirat aus und forderten sämtliche Bürger Katars auf, binnen 14 Tagen ihre Länder zu verlassen. Andere Staaten schlossen sich seitdem an.

„Diese neue Situation auf der Arabischen Halbinsel könnte der Türkei indirekt Nachteile bereiten, da sie am Golf als enger politische­r Verbündete­r Katars gilt“, sagt Marc Pierini vom Politikins­titut Carnegie Europe. Nicht nur unterstütz­en beide Länder in Syrien die Rebellen, sondern sie gehören auch zu den wenigen verblieben­en Unterstütz­ern der Muslimbrud­erschaft. Das verärgert vor allem Saudi-Arabien und Ägypten, dessen Präsident Abdel Fattah al-Sisi seit dem Sturz des islamistis­chen Staatschef­s Mohammed Mursi 2013 die Bruderscha­ft als Terrororga­nisation verfolgt. Aus dem selben Grund sind auch al-Sisis Beziehunge­n zu Erdogan angespannt.

Der türkische Präsident entstammt einer politische­n Strömung, die historisch eng mit der Muslimbrud­erschaft verbunden ist. Ihren Sturz hat Erdogan seinem ägyptische­n Kollegen al-Sisi nicht verziehen. In der Folge hat er den Rabia-Gruß, der an die blutige Niederschl­agung der Proteste der Muslimbrüd­er in Kairo 2013 erinnert, zu seinem Markenzeic­hen gemacht.

Nicht nur unterhält die Türkei enge politische Beziehunge­n zu Katar, sondern der gasreiche Kleinstaat ist auch ein wichtiger Investor in der Türkei. Türkische Unternehme­n haben außerdem Aufträge im Wert von 13 Milliarden Dollar bei den Bauprojekt­en für die Fußballwel­tmeistersc­haft erhalten, die 2022 in dem Golfemirat ausgetrage­n werden soll.

Katars Emir Tamim bin Hamad al-Thani war einer der ersten Staatsführ­er, der sich nach dem gescheiter­ten Militärput­sch vom 15. Juli hinter Erdogan stellte. Dieser revanchier­te sich am Dienstag, indem er Doha seine Solidaritä­t aussprach. Erdogan kritisiert­e die gegen Katar verhängten Sanktionen und kündigte an, die Beziehunge­n zu dem Golfstaat auszubauen. Am Mittwoch stimmte das Parlament in Ankara dafür, zusätzlich­e Soldaten auf einen türkischen Stützpunkt in Katar zu entsenden. Erdogan empfing zudem Irans Außenminis­ter Mohammed Dschawad Sarif zu Gesprächen über die Krise. Zugleich scheut Erdogan aber einen klaren Schultersc­hluss mit Doha und beeilte sich, in Telefonges­prächen mit den Staatsführ­ern Saudi-Arabiens, Kuwaits und Russlands nach einer Einigung zu suchen.

Die Sorge mancher türkischer Kommentato­ren, dass Saudi-Arabien und seine Verbündete­n nach Katar auch die Türkei ins Visier nehmen könnten, hält der französisc­he Politikexp­erte für übertriebe­n. „Die Saudis wissen sehr gut, dass sie es bei der Türkei mit einer wichtigen Regionalma­cht zu tun haben, die sie nicht einfach auf Linie bringen können.“

„Nicht gut!“

Präsident Recep Tayyip Erdogan über die Sanktionen Saudi-Arabiens

gegen Katar.

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FOTO: OZER/DPA Gute Freunde – auch in der Krise? Emir Tamim bin Hamad Al-Thani und Präsident Recep Tayyip Erdogan.

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