SZ-Online-Diskussion zum Thema Bafög erhitzt die Gemüter
Untersuchung eines Berliner Forschungsinstituts kritisiert die Höhe der augenblicklichen Fördersätze für Studenten als deutlich zu gering.
SAARBRÜCKEN „Eine gute Ausbildung ist die Basis für beruflichen Erfolg“, sagt das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Sie dürfe nicht an den Finanzen scheitern. Um „allen jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation, eine Ausbildung zu absolvieren“, wurde im Jahr 1971 das Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) verabschiedet.
Im Jahr 2015 wurden laut Statistischem Bundesamt über 610 000 Studenten in Deutschland danach gefördert, mit durchschnittlich 448 Euro pro Monat. Reicht das? Nein, sagt eine Studie des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (Fibs), die im Auftrag des Deutschen Studentenwerks (DSW ) durchgeführt wurde. Das Autorenteam um Dieter Dohmen kommt in dieser Untersuchung zu dem Ergebnis, dass der Bafög-Satz generell zu niedrig angesetzt sei, allein der Grundbedarf um 75 Euro. Auch die Wohnpauschalen reichten kaum zur Deckung der Miete, und der Krankenversicherungsbeitrag sei speziell für Studenten über 30 Jahre viel zu niedrig kalkuliert. Gestützt werden diese Ergebnisse auch von Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und der Diakonie.
Und wie sieht die Situation in der Praxis aus? Wie beschreiben Studenten ihre Situation? Können sie von einem Bafög-Maximalsatz von 735 Euro monatlich leben? Das wollte die Hochschulredaktion der Saarbrücker Zeitung in einer Online-Umfrage beim sozialen Netzwerk Facebook herausfinden. Das Thema wurde heftig diskutiert, die Meinungen gingen stark auseinander und es meldeten sich nicht nur Studenten zu Wort.
SZ-Leserin Elisabeth Wirthensohn beispielsweise ist der Meinung, dass es viele Menschen gebe, die mit weniger als 735 Euro im Monatlich auskommen müssen. Sie nennt Rentner, chronisch Kranke und Erwerbsunfähige als Beispiele. Und Randy Nickel sagt: „Alleinerziehende Mütter mit Hartz IV haben weniger pro Person.“Martin Brill pflichtet bei: „Studenten bekommen was, und Azubis? Die kriechen auf dem Zahnfleisch.“
Dem hält Beate Kupfernagel wiederum entgegen, dass Bafög-Empfänger vergleichsweise hohe Ausgaben zu stemmen hätten. „Sie müssen Miete, Nebenkosten, Lehrmaterialien, Semesterbeiträge, Essen und Kleidung bezahlen“, sagt sie. Außerdem gibt sie zu bedenken, dass die Hälfte des Bafögs als Darlehen ausgezahlt wird, Studenten also später mit teilweise hohen Schulden ins Berufsleben starten. Alex Schwab ergänzt, dass Bafög-Empfänger, im Gegensatz zu Beziehern von anderen Sozialleistungen, alle diese Kosten selbst tragen müssen und beispielsweise keinen Anspruch auf Wohngeld haben.
Agnieszka Weibel weist darauf hin, dass es beispielsweise auch auf die Stadt ankommt, in der man studiert. „In Leipzig fährt man damit besser als in Hamburg, das ist sonnenklar“, meint sie. Andreas Müller vertritt eine ähnliche Meinung: „Kommt wohl sehr auf die Stadt an. In Saarbrücken wird es reichen, in München und Köln eher nicht“, sagt er. Doch ganz so einfach ist es nicht, erwidert der Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) der Saar-Universität, Govinda Sicheneder. Es stimme zwar, dass es in größeren Städten noch schwieriger sei, mit dem Bafög auszukommen, aber: „Mit der Mietpauschale von 250 Euro findet man auch in Saarbrücken kaum etwas zum Wohnen“, erklärt Sicheneder. „Und was man bei der Miete drauflegen muss, fehlt einem an anderer Stelle. Für eine gesunde, ausgewogene Ernährung beispielsweise reicht das Geld dann hinten und vorne nicht.“