Glänzende Pop-Perlen
Entschleunigung mit Happyness, The Proper Ornaments, Real Estate und Fazerdaze
Dass in Britanniens Hauptstadt bisweilen ganz entspannt musiziert wird, war nicht zu beweisen, doch sind mit Happyness und The Proper Ornaments derzeit gleich zwei Londoner Bands am Start, die mit zauberhaft leichten, wunderbar verspielten, sich souverän in der Vergangenheit bedienenden Klängen in den Bann zu ziehen wissen.
Happyness sind ein Trio, „Write In“(Moshi Moshi/PIAS ) ist erst ihr zweites Album, und es klingt auf unangestrengte Art perfekt. Die Saiten flirren köstlich, wissen ausnahmsweise aber auch zu riffen und zu rocken, der Bass pulsiert kräftig, die Tasten von Klavier und Synthesizer schwingen, klopfen und zirkeln vorzüglich, das Schlagwerk agiert mit feinem Swing und fabelhafter Ökonomie zugleich, die Stimmen schmeicheln, die Melodien betören. Was will man mehr?
Vielleicht hätte Elliott Smith ja ganz ähnlich musiziert, hätte er nicht gegen die Dämonen einer Depression kämpfen müssen. Eine weitere Assoziation lautet: der rastlos kreiselnde HypnosePop der legendären Felt in konsequent entschleunigten Versionen. Wie auch immer, Happyness ist es gelungen, für „Write In“zehn makellose Pop-Perlen aufzureihen. Und – jawohl! – ihr Name ist Programm.
Wie gesagt, The Proper Ornaments sind ebenfalls in London beheimatet und auch sie huldigen hemmungslos dem Schönklang. Doch lässt sich unschwer vernehmen, dass James Hoare (einst bei den famosen Veronica Falls aktiv) und Max Oscarnold den Sechziger-Jahren noch weit mehr verbunden sind als den Achtzigern. So lassen sich für „Foxhole“(Tough Love/ Cargo ) in vorderster Linie die Beatles, Pink Floyd und die Byrds als Einflüsse ausmachen – und erst in zweiter Reihe späterer Ikonen wie Elliott Smith oder Yo La Tengo, die ja wiederum ebenso hemmungslos aus dem schier unerschöpflichen Sixties-Fundus schöpften. Doch egal ob sich hier Kreise schließen, sanfte Psychedelica frech reanimiert wird oder einfach in nostalgischer Innerlichkeit die Harmonien perlen dürfen, es ist reine (Saiten-)Magie. Weil es nämlich so anstrengungslos geschieht.
Nahtlos an „Foxhole“anschließen lässt sich mit „In Mind“(Domino ), dem vierten Werk der 2009 in New Jersey gegründeten, mittlerweile in Brooklyn, New York beheimateten Band Real Estate. Das wichtigste Element auch ihres regelrecht berauschenden Songreigens ist fraglos der perlende, lautmalerische, an strategisch klugen Stellen auch riffende Klang der perfekt ineinander verflochtenen Gitarren.
Alles weitere – ob RhythmusSektion, Beiträge der Tastaturen oder der süße, hymnische Gesang scheinen diesem Zentrum der Sound-Macht nur zuzuarbeiten. Indes: diese Hierarchie funktioniert prächtig. Pastoral, elegant, zeitlos, luftig – ein attraktiveres Erfolgskonzept haben nur wenige Combos.
Hauptmerkmal von Amelia Murray’s Alter Ego Fazerdaze ist unzweifelhaft die wunderbar verwehte, gleichwohl kräftige Stimme der Künstlerin. Als MultiImnstrumentalistin liefert sie sich an Gitarre, Bass, Drumcomputer und Synthesizer selbst das passende Umfeld – virtuos und stets songdienlich mit Hall und Verzerrung spielend. Man darf das Ganze also auch gerne im sogenannten Shoegaze- Genre verorten – aufgeladen mit dem bestechenden Girl-PopCharme der Sixties. Songtitel wie „Lucky Girl“, „Shoulders“und „Bedroom Talks“setzen schon mal die passenden atmosphärischen Akzente.
Als Debüt-Album ist „Morningside“(Grönland/RTD
) wirklich beeindruckend ausgereift und selbstbewusst.
Der beste Ort für den Konsum dieser vier durchweg empfehlenswerten Alben scheint mithin eine Hängematte mit Blick ins frische, von der Morgensonne durchströmte Grün eines Baumes. Damitverfliegt jeder Stress. Wetten?!
Hugo Race & Michelangelo Russo „John Lee Hooker’s World Today“(Glitterhouse/Indigo):
Dass John Lee Hooker zu Race ewigen Idolen zählte, weiß jeder, der die Karriere des Australiers verfolgt hat. Hier huldigt er der BluesLegende zum hundertsten Geburtstag. Zur Seite stand ihm mit Michelangelo Russo ein Bruder im Geiste. Gemeinsam verliehen sie acht Hooker-Klassikern von „Hobo Blues“bis zu „Country Boy“neue Weihen, indem sie diese behutsam zelebrierten, auf teils bis zu zehn Minuten Länge streckten und mittels Ambient und Avantgarde auf ziemlich eigentümliche Weise auch aktualisierten. Die Bass-Drum pocht mit den Bass-Saiten um die Wette, die Gitarren hallen und sezieren wahlweise, Sound-Gimmicks zirkeln und zischeln. Dieser in nur einer Nacht angelegte Blues-Sumpf ist verdammt tief.