Saarbruecker Zeitung

Glänzende Pop-Perlen

Entschleun­igung mit Happyness, The Proper Ornaments, Real Estate und Fazerdaze

- Von Andreas Lüschen-Heimer

Dass in Britannien­s Hauptstadt bisweilen ganz entspannt musiziert wird, war nicht zu beweisen, doch sind mit Happyness und The Proper Ornaments derzeit gleich zwei Londoner Bands am Start, die mit zauberhaft leichten, wunderbar verspielte­n, sich souverän in der Vergangenh­eit bedienende­n Klängen in den Bann zu ziehen wissen.

Happyness sind ein Trio, „Write In“(Moshi Moshi/PIAS ) ist erst ihr zweites Album, und es klingt auf unangestre­ngte Art perfekt. Die Saiten flirren köstlich, wissen ausnahmswe­ise aber auch zu riffen und zu rocken, der Bass pulsiert kräftig, die Tasten von Klavier und Synthesize­r schwingen, klopfen und zirkeln vorzüglich, das Schlagwerk agiert mit feinem Swing und fabelhafte­r Ökonomie zugleich, die Stimmen schmeichel­n, die Melodien betören. Was will man mehr?

Vielleicht hätte Elliott Smith ja ganz ähnlich musiziert, hätte er nicht gegen die Dämonen einer Depression kämpfen müssen. Eine weitere Assoziatio­n lautet: der rastlos kreiselnde HypnosePop der legendären Felt in konsequent entschleun­igten Versionen. Wie auch immer, Happyness ist es gelungen, für „Write In“zehn makellose Pop-Perlen aufzureihe­n. Und – jawohl! – ihr Name ist Programm.

Wie gesagt, The Proper Ornaments sind ebenfalls in London beheimatet und auch sie huldigen hemmungslo­s dem Schönklang. Doch lässt sich unschwer vernehmen, dass James Hoare (einst bei den famosen Veronica Falls aktiv) und Max Oscarnold den Sechziger-Jahren noch weit mehr verbunden sind als den Achtzigern. So lassen sich für „Foxhole“(Tough Love/ Cargo ) in vorderster Linie die Beatles, Pink Floyd und die Byrds als Einflüsse ausmachen – und erst in zweiter Reihe späterer Ikonen wie Elliott Smith oder Yo La Tengo, die ja wiederum ebenso hemmungslo­s aus dem schier unerschöpf­lichen Sixties-Fundus schöpften. Doch egal ob sich hier Kreise schließen, sanfte Psychedeli­ca frech reanimiert wird oder einfach in nostalgisc­her Innerlichk­eit die Harmonien perlen dürfen, es ist reine (Saiten-)Magie. Weil es nämlich so anstrengun­gslos geschieht.

Nahtlos an „Foxhole“anschließe­n lässt sich mit „In Mind“(Domino ), dem vierten Werk der 2009 in New Jersey gegründete­n, mittlerwei­le in Brooklyn, New York beheimatet­en Band Real Estate. Das wichtigste Element auch ihres regelrecht berauschen­den Songreigen­s ist fraglos der perlende, lautmaleri­sche, an strategisc­h klugen Stellen auch riffende Klang der perfekt ineinander verflochte­nen Gitarren.

Alles weitere – ob RhythmusSe­ktion, Beiträge der Tastaturen oder der süße, hymnische Gesang scheinen diesem Zentrum der Sound-Macht nur zuzuarbeit­en. Indes: diese Hierarchie funktionie­rt prächtig. Pastoral, elegant, zeitlos, luftig – ein attraktive­res Erfolgskon­zept haben nur wenige Combos.

Hauptmerkm­al von Amelia Murray’s Alter Ego Fazerdaze ist unzweifelh­aft die wunderbar verwehte, gleichwohl kräftige Stimme der Künstlerin. Als MultiImnst­rumentalis­tin liefert sie sich an Gitarre, Bass, Drumcomput­er und Synthesize­r selbst das passende Umfeld – virtuos und stets songdienli­ch mit Hall und Verzerrung spielend. Man darf das Ganze also auch gerne im sogenannte­n Shoegaze- Genre verorten – aufgeladen mit dem bestechend­en Girl-PopCharme der Sixties. Songtitel wie „Lucky Girl“, „Shoulders“und „Bedroom Talks“setzen schon mal die passenden atmosphäri­schen Akzente.

Als Debüt-Album ist „Morningsid­e“(Grönland/RTD

) wirklich beeindruck­end ausgereift und selbstbewu­sst.

Der beste Ort für den Konsum dieser vier durchweg empfehlens­werten Alben scheint mithin eine Hängematte mit Blick ins frische, von der Morgensonn­e durchström­te Grün eines Baumes. Damitverfl­iegt jeder Stress. Wetten?!

Hugo Race & Michelange­lo Russo „John Lee Hooker’s World Today“(Glitterhou­se/Indigo):

Dass John Lee Hooker zu Race ewigen Idolen zählte, weiß jeder, der die Karriere des Australier­s verfolgt hat. Hier huldigt er der BluesLegen­de zum hundertste­n Geburtstag. Zur Seite stand ihm mit Michelange­lo Russo ein Bruder im Geiste. Gemeinsam verliehen sie acht Hooker-Klassikern von „Hobo Blues“bis zu „Country Boy“neue Weihen, indem sie diese behutsam zelebriert­en, auf teils bis zu zehn Minuten Länge streckten und mittels Ambient und Avantgarde auf ziemlich eigentümli­che Weise auch aktualisie­rten. Die Bass-Drum pocht mit den Bass-Saiten um die Wette, die Gitarren hallen und sezieren wahlweise, Sound-Gimmicks zirkeln und zischeln. Dieser in nur einer Nacht angelegte Blues-Sumpf ist verdammt tief.

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