Saarbruecker Zeitung

Reizvolle Blicke, feine Gesten

Neu im wieder eröffneten Filmhaus Saarbrücke­n: „Loving“von Jeff Nichols – Kraftvolle Geschichte über Rassendisk­riminierun­g

- Von Uwe Mies

Das Foto ging vielleicht nicht um die Welt, aber es trug einen Symbolchar­akter in sich, der nicht weniger als eine Änderung in der Verfassung der Vereinigte­n Staaten zur Folge hatte. Ein Mann und eine Frau sind auf dem Foto zu sehen. Sie sitzt am Ende einer Couch, er liegt quer zu ihr, den Kopf auf ihrem Schoß gebettet. Sie schauen sich eine Sendung im Fernsehen an. Beide lachen. Das Wichtige aber ist: Richard Loving ist Weißer, seine Frau Mildred hingegen von schwarzer Hautfarbe. 1958 hatten sie sich in Washington trauen lassen. Zurück zu Hause in einer abgelegene­n ländlichen Gegend in Virginia werden beide verhaftet und dem Richter vorgeführt. Der befindet eine rassenhete­rogene Heirat als widernatür­lich und verbannt die Lovings für die Zeitspanne von 25 Jahren des Staates Virginia. Zuwiderhan­dlung hätte sofortige Inhaftieru­ng zur Folge. Als die Geburt des ersten Kindes ansteht, fahren die Lovings trotzdem zu ihren Familien.

Nach einer wahren Geschichte zäumte der auf Festivals gefeierte, an der Kinokasse eher glücklose Independen­t-Filmautor Jeff Nichols („Take Shelter“, „Mud“, „Midnight Special“) seine jüngste Arbeit auf. Von seinen früheren Filmen übernahm er den quasi-dokumentar­ischen Stil und den bisweilen aufreizend langsamen Erzählflus­s, der viel Raum für Blicke und kleinste Gesten eröffnet, aber auch zuweilen etwas umständlic­h wirken kann. Am besten gelingt es, das einfache Leben in den Südstaaten zu Beginn der 1960er Jahre einzufange­n, was auch an den beiden Hauptdarst­ellern liegt. Wobei Joel Edgerton die Attitüde des maulfaulen Maurers mit dem tumben Gesicht und den seitwärts herabschlu­rfenden Armen fast schon zur Karikatur überzieht. Umso intensiver strahlt dagegen die gebürtige Äthiopieri­n Ruth Negga, die in zartesten Nuancen das Bild einer zusehends von ihrem Selbstbewu­sstsein überzeugte­n Frau skizziert und dafür völlig zu Recht mit einer Oscar-Nominierun­g belohnt wurde. Der Film selbst wurde zwar auf Oscar-Weihen getrimmt und wirkt beim Zuschauen ein bisschen wie ein Lehrstück für Schulklass­en. Aber er ist differenzi­ert erzählt und klingt kraftvoll nach.

USA 2016, 124 Min., Filmhaus (Sb); Regie, Drehbuch: Jeff Nichols; Kamera: Adam Stone; Musik: David Wingo; Darsteller: Joel Edgerton, Ruth Negga, Nick Kroll, Will Dalton, Alano Miller.

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