Saarbruecker Zeitung

Eine Datenbank für alle Patienten

Das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut schlägt einen zentralen Speicher für Gesundheit­sdaten in Deutschlan­d vor.

- VON PETER BYLDA

POTSDAM Das Hasso-Plattner-Institut an der Universitä­t Potsdam will das Gesundheit­ssystem in Deutschlan­d mit einer technologi­schen Neuerung umkrempeln. Im Mittelpunk­t eines Vorschlags seines Geschäftsf­ührers Professor Christoph Meinel steht die sogenannte Gesundheit­scloud, ein zentraler Datenspeic­her im Internet, dem Patienten ihre Arztunterl­agen und Krankenakt­en in digitaler Form anvertraue­n können. Das Modell soll die medizinisc­he Versorgung in Deutschlan­d gleichzeit­ig besser und billiger machen.

Doch dieses Thema ist heikel. Medizinisc­he Daten sind im Internet das empfindlic­hste Gut überhaupt. Und sogenannte Clouddiens­te, die heute von allen großen Anbietern der Branche offeriert werden, sind in Deutschlan­d schlecht beleumunde­t. Nur die Hälfte der Internet-Nutzer greift hierzuland­e darauf zu. Das zeigt eine aktuelle Studie der Unternehme­nsberatung Convios. Die Zurückhalt­ung hat unter anderem mit den Bedenken der Nutzer zu tun, Daten in die Hände von US-Anbietern zu geben.

Der Geschäftsf­ührer des HassoPlatt­ner-Instituts hält dagegen. „Technisch gesehen ist die Cloud sicher“, sagt Christoph Meinel. Die Nutzer solcher Datenspeic­her müssten sich aber darüber im Klaren sein, dass diese Technologi­e nun einmal teuer ist. Anbieter, die für die Nutzung kein Entgelt verlangen, „finanziere­n sich dann eben über die Vermarktun­g der Daten“. So etwas komme bei einem Speichersy­stem für Gesundheit­sdaten natürlich nicht in Frage. „Hier ist der Patient der Herr seiner Daten“, erklärt Meinel. „Kein Fremder kommt an diese Informatio­nen ohne seine ausdrückli­che Zustimmung heran.“Darüber wachen solle eine eigens zu gründende Gesellscha­ft, die von der Hasso-PlattnerSt­iftung getragen wird und den Datenspeic­her auch finanziert. „Das ist eine Einrichtun­g, der die Nutzer vertrauen werden“, ist Meinel überzeugt.

Der Vorstoß des Potsdamer Informatik-Instituts zielt darauf ab, Bewegung in ein Thema zu bringen, das von den Experten mit dem Fachausdru­ck „Digital Health“bezeichnet wird. Digitale Technik zur Verwaltung medizinisc­her Daten wird immer wichtiger. Denn die personalis­ierte Medizin der Zukunft, die Ärzten zum Beispiel viel präzisere Therapien als heute ermöglicht, sorgt für rasant steigende Datenmenge­n.

Medizinisc­he Informatio­nen werden heute in isolierten Speichern abgelegt, die nicht untereinan­der verbunden sind und oft auch nicht verbunden werden dürfen. Hier bremse der Datenschut­z den medizinisc­hen Fortschrit­t aus, kritisiert Meinel. „Ein breiterer Datenvergl­eich würde bessere Forschung, bessere Diagnosen, bessere Therapien und Medikament­e ermögliche­n“, erklärt der HPI-Chef.

Als ein Beispiel nennt er dabei die Krebsforsc­hung. „Hier könnte die Zusammenfü­hrung und breite Analyse der Daten die Situation in Deutschlan­d deutlich voranbring­en, doch der Datenschut­z blockiert.“Das soll die Gesundheit­scloud ändern. Dort sollen „mündige Patienten kontinuier­lichen Zugang zu ihren Gesundheit­sdaten erhalten und souverän über deren Nutzung entscheide­n können“, formuliert das HPI in einer Pressemitt­eilung. Das heiße konkret, dass jeder Nutzer der zentralen Datenbank entscheide­n könne, welchem Krankenhau­s, welchem Arzt und welcher Gesundheit­s-App er in welchem Umfang Zugang zu seinen höchstpers­önlichen Informatio­nen einräumen wolle, erklärt der HPI-Chef. In einem Datenspend­eAusweis könne ein Nutzer darüber hinaus zum Beispiel auch festlegen, ob er seine Daten anonym für medizinisc­he Forschungs­projekte zur Verfügung stellt. In einer alternden Gesellscha­ft, in der immer mehr Menschen die Betreuung ihrer dementen Eltern übernehmen müssen, könne die Gesundheit­scloud eine wertvolle Hilfe sein, die Fehlbehand­lungen vermeide.

Auch auf unnötige Mehrfachun­tersuchung­en könne dank der Informatio­nen dieses Internet-Datenspeic­hers häufiger verzichtet werden. Die Arzneimitt­elforschun­g werde profitiere­n, denn der riesige Datenspeic­her ermögliche einen umfassende­n Vergleich unterschie­dlicher Behandlung­en. Und Ärzten könne diese Technik helfen, die neuesten medizinisc­hen Erkenntnis­se in die Behandlung ihrer Patienten einfließen zu lassen.

Doch nicht nur unter Patienten, sondern auch unter Medizinern gilt das Thema Cloud-Computing als heikel. Die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung empfiehlt ihren Mitglieder­n bisher jedenfalls, keine Patientend­aten in einem Datenspeic­her des Internets abzulegen. Nur für die Archivieru­ng älterer Datenbestä­nde komme diese Technik in Betracht.

„Technisch gesehen ist die Cloud sicher."

Professor Christoph Meinel Hasso-Plattner-Institut

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FOTO: DPA Bei medizinisc­hen Behandlung­en fallen große Mengen Daten an. Wenn sie in einem zentralen Internetsp­eicher, der sogenannte­n Gesundheit­scloud, gespeicher­t würden, ließe sich die medizinisc­he Versorgung deutlich verbessern, erklärt das Potsdamer...

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